Virginie Masserey vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) liess sich nicht auf die Äste hinaus. Was sie als Fachperson davon halten würde, wenn am 17. Februar alle Massnahmen aufgehoben würden? Kein Kommentar. Die BAG-Expertin stellte an der wöchentlichen Experten-Medienkonferenz zur Corona-Lage aber fest: «Die fünfte Welle hat wahrscheinlich jetzt das höchste Niveau erreicht.»
Auch die wissenschaftliche Taskforce des Bundes kommt in ihrer heutigen Lagebeurteilung zum Schluss, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle erreicht sein könnte. Ganz sicher sind sich jedoch die Fachleute nicht, weil auch sie nicht wissen können, was die Zukunft bringt.
Fallzahlen, Hospitalisierungen und Ips-Fälle stagnieren
Doch Tatsache ist: Derzeit stagniert die Zahl der Neuansteckungen – mit leicht sinkender Tendenz, so Masserey. Viele Infektionen bleiben allerdings unentdeckt. Die Dunkelziffer ist also weiterhin hoch – und könnte angesichts der sinkenden Zahl durchgeführter Tests noch höher sein als auch schon. Der R-Wert – eine Zahl, die angibt, wie viele Personen ein Infizierter ansteckt – liegt aber gemäss Schätzung derzeit deutlich unter 1, was ein gutes Zeichen ist.
Nicht nur die Fallzahlen, auch die Zahl der Spitaleinweisungen und der Covid-Patienten auf der Intensivstation sind laut Masserey derzeit stabil. Die meisten schwer Erkrankten seien über 50 Jahre alt und nicht geimpft.
Ein Viertel leidet an Long Covid
Angesichts eines möglicherweisen nahen Endes der Pandemie widmeten sich die Experten einem Thema, das uns noch länger beschäftigen wird: Long Covid. Einer Studie der Uni Zürich zufolge sind sechs Monate nach Ansteckung ein Viertel der Corona-Infizierten von Long Covid betroffen. Das entspreche in etwa den Ergebnissen, zu denen auch andere Studien kämen, sagte Milo Puhan, Epidemiologe an der Uni Zürich. Die meisten Betroffenen hätten ein halbes Jahr nach ihrer Corona-Erkrankung nur noch leichte Symptome. Doch 3 von 100 Personen wiesen auch dann noch eine schwere Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustands auf, 4 eine schwere.
Ein Drittel der Betroffenen hatte sich nach einem Jahr erholt. Ein Prozent der Corona-Infizierten ist hingegen auch nach 12 Monaten noch stark beeinträchtigt. Das spiegelte sich auch in der Invalidenversicherung (IV) wieder: Allein im vergangenen Jahr haben sich rund 1700 Personen bei der IV wegen Long Covid angemeldet. Damit machen die Corona-Langzeitwirkungen schon zwei bis drei Prozent aller Anmeldungen aus.
25'000 Personen lange und stark beeinträchtigt
Das mag nach wenig klingen – doch die absoluten Zahlen zeigen das Ausmass: Rund 25'000 Personen dürften mindestens ein Jahr an schweren Long-Covid-Symptomen gelitten haben oder leiden. Dazu gehören unter anderem Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Konzentrations- und Erinnerungsschwierigkeiten.
Eine Impfung könne sich positiv auf die Entwicklung der Symptome auswirken, sagte Mayssam Nehme, Klinikleiterin der Abteilung für Hausarztmedizin am Unispital Genf. Nehme führt eine Long-Covid-Sprechstunde und befasst sich auch in klinischen Studien mit dem Thema. Bei 36 Prozent der Personen hätten die Symptome nach der Impfung nachgelassen.
Die Impfung schütze aber nicht davor, an Long Covid zu erkranken, so Milo Puhan. «Das Problem ist leider nicht vom Tisch, weil man impft.» Es gebe aber Hinweise darauf, dass die Impfung das Risiko zumindest etwas mindere.
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BAG prüft Long-Covid-Register
Das BAG hat zwei Arbeitsgruppen zum Thema Long Covid ins Leben gerufen. Man baue zudem mit dem Ärzteverband FMH eine Plattform auf mit Empfehlungen für Ärzte zu Diagnostik und Therapie, sagte Linda Nartey, die den Bereich Prävention und Gesundheitsversorgung beim BAG leitet.
Zudem wird geprüft, ein Long-Covid-Register einzurichten. Betroffenen-Organisationen fordern dies, doch bisher sah das BAG dafür keinen Bedarf. Nartey sagte, man diskutiere mit Experten und Betroffenen, ob ein Register die richtige Lösung wäre. In den nächsten Wochen oder Monate werde wohl ein Entscheid erfolgen.