Ungemütliches Wetter gepaart mit der Corona-Pandemie – keine schöne Mischung. «Vor allem Menschen, die sich mit dem Betteln einen Zusatzverdienst machen oder gar darauf angewiesen sind, befinden sich zurzeit in einer misslichen Lage», sagt Silvio Flückiger von der Berner Interventionsgruppe Pinto. Die Corona-Pandemie heisse für sie, den Gürtel noch enger schnüren, als er eh schon sitzt.
Das habe drei Gründe: Durch den erneuten Lockdown flanieren kaum mehr Menschen durch die Strassen und durch die Homeoffice-Pflicht entfällt auch bei vielen der Arbeitsweg. Es hat also viel weniger «Kundschaft». Ausserdem, berichten Betroffene, seien die Passanten ihnen gegenüber misstrauischer geworden – sie hätten Angst, dass die bettelnden Personen die Corona-Regeln nicht einhalten.
Nicht zuletzt haben aber die Menschen, die sonst gerne etwas Münz ins Becherli geben, kaum Bargeld bei sich – im Laden zahlen schliesslich alle nur noch mit dem Kärtchen. Ausgerechnet die Digitalisierung, die vielen Schweizerinnnen und Schweizern zurzeit die Arbeit erleichtert, erschwert es den bettelnden Personen, an Spenden zu kommen.
Bettelnde Personen gehen mit Digitalisierung mit
In Bern hört man jedoch von Betroffenen, die nun notgedrungen mit dem Zeitgeist mitgehen. «Mir wurden seit Beginn der bargeldlosen Corona-Pandemie tatsächlich gehäuft bettelnde Personen gemeldet, die über ein Handy verfügen – und auch Spenden über die Zahlungsapp Twint annehmen», erzählt der Co-Leiter des Berner Polizeiinspektorats Alexander Ott BLICK. Ob dadurch tatsächlich mehr Geld ins Kässeli gespült wird, ist unklar.
Beim neuen Geschäftsmodell können oder wollen aber längst nicht alle mitmachen. Weder in Zürich noch in Basel sind ähnliche Fälle bekannt. Der Rest der bettelnden Personen müsse durch die erschwerten Bedingungen länger «arbeiten», erklärt Flückiger. Oder sie müssen sich an Orte wagen, an denen betteln eigentlich nicht erlaubt ist – an den Bahnhof Bern zum Beispiel.
Städte leisten Unterstützung
«Ansonsten müssen die bettelnden Personen beim Essen oder bei der Suchtmittelbeschaffung sparen», erklärt Flückinger. Abgesehen von ganz wenigen Personen, die an einem Stammplatz sitzen und von einer Stammkundschaft zwar weniger aber dafür grosszügigere Spenden erhalten, ist die Lage für die meisten bettelnden Personen sehr schwierig. Die Interventionsgruppe Pinto habe unter anderem auch deswegen ein Obdachlosen-Café eröffnet, damit die Betroffenen auch in dieser schweren Zeit zu Nahrung kommen.
In Zürich mache man dieselben Erfahrungen, berichtet die aufsuchende Sozialarbeit auf Zürichs Strassen (Sip Züri). Das Betteln habe sich für die meisten Personen deutlich erschwert – das Geld sei noch knapper als sonst. (dbn)