Bei Amtsgeheimnisverletzungen ist der Bundesrat konsequent: Landen vertrauliche Informationen in den Medien, kennt er seit den Corona-Leaks kein Pardon mehr und erstattet Anzeige.
Geht es um Missstände im eigenen Departement, ist zumindest Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) weniger streng. Dass Mitarbeiter des Bundesamts für Informatik und Telekommunikation (BIT) dem Sonderermittler Peter Marti (72) die gesamte Mailbox von Peter Lauener (52), ehemals Sprecher von Bundesrat Alain Berset (51), herausgegeben haben, soll keine juristischen Folgen haben.
Bundesanwalt will Ermächtigung
Doch jetzt macht ihr die Bundesanwaltschaft (BA) einen Strich durch die Rechnung. Sie teilt auf Anfrage mit, sie habe «Vorabklärungen eingeleitet» wegen der möglichen Amtsgeheimnisverletzung durch BIT-Mitarbeitende. Wohl auch, weil Lauener Anzeige gegen Unbekannt im BIT wegen der unzulässig umfangreichen Mail-Lieferung erstattet hat.
Solche Vorabklärungen macht die BA, wenn bei einer Anzeige gegen Unbekannt geklärt werden muss, welche Beamten das angezeigte Delikt begangen haben könnten. Nur so kann das Justizdepartement den Strafverfolgungsbehörden die Ermächtigung erteilen, gegen diese Beamten vorzugehen.
Aus Crypto-Affäre wurden Corona-Leaks
Marti, der wegen Amtsgeheimnisverletzung in der Crypto-Affäre ermittelte, hatte beim BIT Laueners Mailverkehr vom 7. Oktober bis 15. November 2020 verlangt. Das BIT lieferte ihm aber den gesamten Inhalt der Mail-Box – Mails über viele Jahre also. Darin stiess Marti auf E-Mails an Marc Walder (57), den CEO des Ringier-Verlags, der auch den Blick herausgibt. Diese Mails aus der Corona-Zeit sollen zeigen, dass Lauener mit Walder die Corona-Politik des Bundes beeinflussen wollte.
Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-Auslandsgeheimdienst (CIA) kauften in den 1970er-Jahren verdeckt die Zuger Firma Crypto AG. Diese verkaufte Chiffriergeräte zur Verschlüsselung geheimer Kommunikation in alle Welt. Recherchen der TV-Sender SRF und ZDF sowie der Zeitung «Washington Post» ergaben, dass die Crypto-Geräte so manipuliert waren, dass die Geheimdienste die Kommunikation trotz Verschlüsselung mitlesen konnten. Über hundert Staaten sollen von der Abhöraktion betroffen gewesen sein, kam 2020 heraus. Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments hatte in der Folge eine Untersuchung eingeleitet. Sie kam zum Schluss, dass die Bundesräte von der Abhöraktion nichts wussten. Erst 2019 war Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) vom Nachrichtendienst informiert worden.
Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-Auslandsgeheimdienst (CIA) kauften in den 1970er-Jahren verdeckt die Zuger Firma Crypto AG. Diese verkaufte Chiffriergeräte zur Verschlüsselung geheimer Kommunikation in alle Welt. Recherchen der TV-Sender SRF und ZDF sowie der Zeitung «Washington Post» ergaben, dass die Crypto-Geräte so manipuliert waren, dass die Geheimdienste die Kommunikation trotz Verschlüsselung mitlesen konnten. Über hundert Staaten sollen von der Abhöraktion betroffen gewesen sein, kam 2020 heraus. Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments hatte in der Folge eine Untersuchung eingeleitet. Sie kam zum Schluss, dass die Bundesräte von der Abhöraktion nichts wussten. Erst 2019 war Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) vom Nachrichtendienst informiert worden.
Und zwar so: Das Medienhaus Ringier, das den Blick herausgibt, soll vorab Informationen zu Corona-Massnahmen des Bundesrats erhalten haben. Dafür habe Berset gute Presse bekommen. Die Artikel hätten den Gesamtbundesrat derart unter Druck gesetzt, dass er machen musste, was Berset wollte.
Verdacht reichte nicht
Brisant: Sonderermittler Marti hatte die BIT-Leiterin «Legal Services» in einem Brief darauf hingewiesen, dass ihm das BIT viel mehr Daten geliefert als hatte als verlangt. Er versprach, er werde sorgfältig damit umgehen.
Eine besondere Zurückhaltung legte Marti dann allerdings nicht an den Tag: Frühmorgens am 17. Mai 2022 klingelte die Polizei an Laueners Tür in der Stadt Bern. Er wurde vorläufig festgenommen und schmorte vier Tage hinter Gittern. Dann musste Marti ihn laufen lassen. Der Verdacht gegen ihn war zu schwach.
Persönlichkeitsrechte verletzt
Die Mail-Herausgabe hatte aber ein Nachspiel. Keller-Sutter, unterdessen Finanzministerin, liess die Datenlieferung intern untersuchen. Ergebnis: «Das BIT hat mit seiner Herausgabe-Praxis die Regeln des Datenschutzes und damit die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzt», teilte das Finanzdepartement (EFD) kürzlich gegenüber Radio SRF mit.
Doch die Konsequenzen für diese Fehlleistung bleiben überschaubar. Das EFD befahl organisatorische Änderungen. Künftig sollen nur noch angeforderte Mails herausgegeben werden – fertig. Obwohl es sich um eine Amtsgeheimnisverletzung in ihrem Laden handeln dürfte, aufgrund derer Lauener in Haft musste, reichte Keller-Sutter keine Anzeige ein.
«Da das BIT zuerst von den Strafverfolgungsbehörden auf den Sachverhalt hingewiesen wurde, stellt sich die Frage einer Anzeige nicht», findet das EFD. Und: «Wir weisen darauf hin, dass die Herausgabe der ganzen Mail-Box einer konstanten Praxis des BIT entsprach.» Auch in anderen untersuchten Fällen wurde das gleich gehandhabt.
BIT schweigt wegen «Persönlichkeitsschutz»
Ob darüber hinaus Disziplinarmassnahmen gegen Mitarbeitende angezeigt seien, sei Sache des BIT, so das EFD. Das BIT schweigt sich wegen «Persönlichkeitsschutzes» darüber aus, ob es Massnahmen ergreift. Bei eigenen Angestellten wertet das BIT die Persönlichkeitsrechte augenscheinlich höher als bei Lauener. Dafür forderte das EFD Blick ungefragt auf, die Persönlichkeitsrechte von BIT-Mitarbeitenden bei der Berichterstattung zu wahren.
Wenn der Bundesrat wegen Leaks an die Medien Amtsgeheimnisverletzungen anzeigt, verlaufen die Untersuchungen meist im Sand. Die Lecks lassen sich kaum zu eruieren. Im BIT-Fall müsste jedoch klar sein, wer die Verantwortung trägt.
Die Ermittlungen um die Crypto-Leaks hat Sonderstaatsanwalt Peter Marti (72) mittlerweile eingestellt. Weder bei Berset-Sprecher Peter Lauener (52) noch bei Markus Seiler, dem Generalsekretär im Aussendepartement (EDA), und EDA-Medienchef Michael Steiner liess sich eine Amtsgeheimnisverletzung nachweisen.
Wie der «Tages-Anzeiger» nun schreibt, erhalten die beiden Mitarbeiter von Aussenminister Ignazio Cassis (62) ausserdem eine Entschädigung von 30'000 respektive 27'000 Franken. Dies zum einen, um ihre Anwaltskosten zu decken, zum anderen aber auch, weil sie einen Tag in Polizeigewahrsam sassen und Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen mussten. (sf)
Die Ermittlungen um die Crypto-Leaks hat Sonderstaatsanwalt Peter Marti (72) mittlerweile eingestellt. Weder bei Berset-Sprecher Peter Lauener (52) noch bei Markus Seiler, dem Generalsekretär im Aussendepartement (EDA), und EDA-Medienchef Michael Steiner liess sich eine Amtsgeheimnisverletzung nachweisen.
Wie der «Tages-Anzeiger» nun schreibt, erhalten die beiden Mitarbeiter von Aussenminister Ignazio Cassis (62) ausserdem eine Entschädigung von 30'000 respektive 27'000 Franken. Dies zum einen, um ihre Anwaltskosten zu decken, zum anderen aber auch, weil sie einen Tag in Polizeigewahrsam sassen und Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen mussten. (sf)