Die Teststrategie des Bundesrats stösst auf Widerstand. Seit vergangener Woche übernimmt der Bund die Kosten für Massentests in allen Unternehmen. Doch selbst Staatsbetriebe wollen nicht mitmachen.
Die SBB weigern sich, ihre Mitarbeitenden einmal pro Woche ins Röhrchen spucken zu lassen. Man werde das Personal «nicht aktiv» testen, heisst es auf Anfrage der «Sonntagszeitung». Obwohl die über 2000 Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter der SBB ständig unterwegs sind und in Kundenkontakt stehen. Die SBB wälzen die Verantwortung auf die einzelnen Angestellten ab. Sie könnten sich bei leichten Krankheitssymptomen ja selber kostenlos testen lassen. Wobei der Sinn von Massentests eben gerade das Identifizieren von Asymptomatischen wäre.
Post wartet auf Kantone
Auch die Post sieht sich nicht selbst in der Verantwortung. «Unternehmensweite Massentests» seien nicht vorgesehen, so ein Sprecher zur «Sonntagszeitung». Aus ihrer Sicht müssen nun erst die Kantone liefern. Sollten sie Massentests anbieten, prüfe man eine Teilnahme. In vielen Kantonen können sich Betriebe aber bereits für Massentests anmelden. Ob man das dort getan hat, sagt die Post auf Nachhaken von BLICK nicht.
Schon vergangene Woche hat zudem Swisscom Massentests eine Abfuhr erteilt. Man halte sie «für nicht sinnvoll», teilte das Unternehmen BLICK mit. Als Begründung führte der Telekomkonzern an, dass 85 Prozent der Mitarbeitenden im Homeoffice arbeiten würden.
«Strategie des Bundesrats zum Scheitern verurteilt»
Bei Transfair, dem Personalverband für den Service public, reagiert man mit Unverständnis auf den Widerstand der Staatsbetriebe. «Dass selbst sie nicht aktiv mitmachen, ist bedenklich», sagt Co-Präsidentin Greta Gysin (37). Freiwillige Massentests dienten dem Schutz von Mitarbeitenden und Kunden und seien auch im Interesse der Unternehmen, ist die Tessiner Grünen-Nationalrätin überzeugt. «Paketboten oder Zugbegleiter haben Kontakt mit vielen Menschen. Gerade sie sollten die Möglichkeit haben, sich regelmässig freiwillig testen zu lassen.»
Man werde nun Kontakt mit den Personalchefs von SBB und Post aufnehmen, um das Thema zu besprechen, kündigt Gysin an. Denn: «Wenn selbst so grosse Betriebe zögern, die eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen sollten, ist die Strategie des Bundesrats zum Scheitern verurteilt.»
Bundesrat müsse nun Druck machen
Auch FDP-Präsidentin Petra Gössi (45) ist verärgert. Die Wirtschaft fordert schon lange, dass beim Testen vorwärtsgemacht wird. Es brauche nun ein «gemeinsames Engagement aller Akteure», liess der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse erst kürzlich verlauten – und hatte damit eigentlich vor allem die Kantone gemeint. Doch es hapert eben nicht nur dort.
«Ich bedaure es ausserordentlich, dass sogar staatsnahe Betriebe die Teststrategie des Bundesrats nicht umsetzen wollen», sagt Gössi. «Der Bundesrat muss nun Druck machen, dass auch diese Betriebe vorwärtsmachen.» Auch sie findet: Gerade sie müssten als gutes Beispiel vorangehen.
Abwarten ist für die Schwyzer Nationalrätin keine Option. «Andere Unternehmen testen ja längst. Statt sich den Schwarzen Peter zuzuschieben, müssen nun alle ihr Möglichstes geben», fordert Gössi.
Auch Kantone zaudern
Die FDP-Chefin nimmt aber auch die Kantone nicht aus der Pflicht. Sie müssten nun ebenfalls alles daransetzen, dass das breite Testen funktioniert. «Der Kanton Graubünden ist dafür ein gutes Beispiel. So wie er sollten alle Kantone die Teststrategie umsetzen.» Die Bündner waren Testpioniere und haben mit ihrer Strategie schweizweit Massstäbe gesetzt.
Andere Kantone lassen sich derweil Zeit – oder stellen auf stur. Die St. Galler Regierung findet breite Tests bei symptomlosen Personen weiterhin nutzlos. Zahlreiche weitere Kantone wollen erst Pilotversuche auswerten und dann entscheiden. Auch bei Massentests an Schulen sind viele skeptisch und wollen nur dann testen, wenn es auch Fälle gibt. Das Ziel des Bundesrats, 40 Prozent der Bevölkerung jede Woche zu testen, wird damit nur schwer erreichbar.