Weniger und kürzere Züge, Diesel- statt Elektrobusse, eingeschränkter Güterverkehr: Falls in der Schweiz der Strom knapp würde, müsste der öffentliche Verkehr seine Leistungen stark zurückfahren. Der Bundesrat hat die Szenarien für eine Strommangellage konkretisiert.
Die Vorbereitungen für den Fall einer Strommangellage seien weiter fortgeschritten als im vorhergehenden Winter, schrieb die Landesregierung am Freitag in einer Mitteilung. Die Lage sei weniger ernst als vor Jahresfrist: Gesamteuropäisch seien die Gasspeicher gut gefüllt, und die Kraftwerke zur Stromproduktion seien in hohem Mass verfügbar.
Trotzdem blieben Unsicherheiten durch verschiedene Unwägbarkeiten, zum Beispiel das Wetter. Die Versorgungssituation mit Strom bleibt laut dem Bundesrat auch im kommenden Winter «angespannt». Zusammen mit der Wirtschaft hat der Bund deshalb die Massnahmen für den Fall einer Strommangellage weiterentwickelt. Die Eckpunkte dazu hatte er bereits im Frühling präsentiert.
Lösungen für kritische Bereiche
In einer Strommangellage müssten Bund und Wirtschaft verhindern, dass es zu unkontrollierten Stromausfällen kommt. Die dafür vorgesehenen Massnahmen wirkten sich einschneidend auf die Wirtschaft aus, schreibt der Bundesrat. Deshalb brauche es in besonders kritischen Bereichen Branchenlösungen, um die Grundversorgung weiterhin sicherstellen zu können.
Der Bundesrat schickt nun einen Verordnungsentwurf in die Vernehmlassung, der den Stromverbrauch des öffentlichen Verkehrs und des Güterverkehrs auf der Schiene im Krisenfall regelt. Weitere branchenspezifische Verordnungen für die Telekommunikationsbranche und die Abwasserreinigungsanlagen werden derzeit erarbeitet.
Vorgesehene Massnahmen im öffentlichen Verkehr wären demnach eine generelle Ausdünnung des Verkehrs, das Streichen von Sonderzügen, kürzere Zugkompositionen und auf der Strasse der Ersatz von Elektrobussen mit Dieselbussen. Der Güterverkehr würde im schlimmsten Fall auf lebenswichtige Waren wie medizinische Güter, Versorgungsmaterial der Armee oder Lebensmittel eingeschränkt.
So sollen Grossverbraucher behandelt werden
Der Bundesrat hat auch die Frage geklärt, wie Grossverbraucher mit mehreren Standorten in verschiedenen Verteilnetzen - sogenannte Multi-Site-Verbraucher - im Falle einer Kontingentierung des Stroms behandelt würden. Ab dem kommenden Winter könnten diese die ihnen zugeteilten Kontingente eigenverantwortlich summieren und verteilnetzübergreifend verwenden.
Dafür müssen sie sich vorgängig registrieren. Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) wurde beauftragt, dazu eine Plattform zur Verfügung zu stellen. Zudem wird für den Fall der Kontingentierung auf Monatsbasis für sämtliche Grossverbraucher der Handel mit Kontingenten ermöglicht. Als Referenzperiode für die Kontingentierung gilt im kommenden Winter grundsätzlich der Vorjahresmonat.
Durch die Weitergabe von Kontingenten erhält die Wirtschaft laut dem Bundesrat mehr Spielraum für den Umgang mit den Kontingenten.
Letzte Massnahme, um Netz-Zusammenbruch zu verhindern
Als letzte Massnahme nach der Kontingentierung von Grossverbrauchern sind Netzabschaltungen vorgesehen, was einen Zusammenbruch des Stromnetzes verhindern würde. Damit in einer Strommangellage der elektronische Daten- und Zahlungsverkehr auf einem reduzierten Niveau möglich bleibt, hat der Bundesrat eine zusätzliche Variante mit einem schweizweiten täglichen Zeitfenster geschaffen, während dem alle Teilnetzgebiete über Strom verfügen würden.
Die dazugehörigen Verordnungsentwürfe würden zum Zeitpunkt einer Mangellage der Situation angepasst und dann vom Bundesrat in Kraft gesetzt, wie dieser schreibt. Die Veröffentlichung der Information über den Stand der Rechtsetzungsarbeiten befähige die Betroffenen, sich für diesen Fall vorzubereiten.
Empfehlungen spricht der Bundesrat auch für Hausbesitzer, Betreiber von kritischen Infrastrukturen, Behörden und Organisationen für Rettung und Sicherheit und alle weiteren Verbraucher aus. So sei es wichtig, bereits frühzeitig die Tanks zu füllen. (SDA)