Soll die Allgemeinheit weiter für die Gratis-Tests von Ungeimpften zahlen? Oder schickt die Gesellschaft diejenigen, die auf die zwei Piks verzichtet haben, quasi in den Mini-Lockdown, wenn sie nicht vor dem Kino, Konzert oder Gym noch für einen Corona-Test zahlen wollen? Über diese Frage streitet die Schweiz seit Wochen.
Die Haltung des Bundesrats ist klar: Auf längere Sicht wird es teuer für den Steuerzahler, wenn er Impfskeptikern die Tests bezahlen muss. Der Bund rechnet mit Ausgaben von 47 Millionen Franken pro Woche. Doch nicht zuletzt auf Druck des Parlaments hat die Landesregierung dennoch einen Kompromissvorschlag vorgelegt: Bis zum 10. Oktober sollen die Kosten der Corona-Tests für Ungeimpfte ohne Symptome weiterhin übernommen werden. Eigentlich hätte Ende Monat Schluss sein sollen mit Gratis-Tests.
Zudem: Wer sich wegen der erweiterten Zertifikatspflicht zur Impfung durchgerungen und bereits die erste Dosis erhalten hat, soll sich bis zur zweiten Dosis bis Ende November weiterhin gratis testen lassen können.
Keiner gegen Verlängerung
Endgültig entscheiden wird der Bundesrat darüber am Freitag. Dazu Stellung nehmen konnten auch die Kantone – obwohl sich der überwiegende Teil von ihnen noch Anfang September für das Ende der Gratis-Tests ausgesprochen hatte. Nun zeigt sich: Gegen die Verlängerung an sich ist keiner der Kantone, die über ihre Antworten schon informieren – im Gegenteil.
Die Kantone Zürich, Baselland, Solothurn, Obwalden und Jura wünschen sich gar eine Verlängerung der Gratis-Tests bis Ende November – und zwar für alle, ob nun einmal oder keinmal geimpft. Eine solche Regelung sei einen vom Impfstatus abhängigen Unterschied zu machen, hält etwa Solothurn fest. Für den Kanton Jura wiederum verschärft es soziale Spannungen, wenn Ungeimpfte schon bald ins Portemonnaie greifen müssen, um zum Testzertifikat zu kommen. Insbesondere für unter 25-Jährige solle man noch einmal über die Bücher gehen.
Kompromissvorschläge aus der Innerschweiz
Die Jungen hat auch der Kanton Uri im Kopf. Dieser fordert Ausnahmen für unter 25-Jährige, und zwar so lange, wie die Zertifikatspflicht gilt. Denn die Teilnahme am sozialen Leben und vor allem auch der Zugang zur Bildung dürfen nicht abhängig von finanziellen Mitteln sein. Nidwalden wiederum schlägt als Kompromiss vor, die Gratis-Tests beizubehalten, aber auf eine bestimmte Anzahl pro Monat und Person zu begrenzen – auf wie viele, bleibt offen. Auch hier wird durch die Kosten eine «Spaltung der Gesellschaft» befürchtet, wie Gesundheitsdirektorin Michele Blöchliger (SVP, 54) sagt.
Am weitesten gehen die Kantone Luzern und Zug. «Mindestens bis Ende Jahr» müsse der Bund die Kosten noch übernehmen, fordert Luzern. Zug wiederum plädiert dafür, die Corona-Tests so lange gratis zu belassen, wie die erweiterte Zertifikatspflicht gilt. Letztere solle aber möglichst bald aufgehoben werden – und zwar sobald die Lage in den Spitälern das erlaube.
Mit der Verlängerung der Gratis-Tests kann auch Graubünden leben. Der Bergkanton kritisiert sie aber auch. Dass einmal Geimpfte noch bis Ende November nicht für die Tests bezahlen müssen, sei grosszügig bemessen. Eine Verlängerung müsse danach ausgeschlossen sein, halten die Bündner fest. Kein Protest kommt aus Basel-Stadt, Glarus, Neuenburg, Freiburg, der Waadt und dem Aargau. Die Ostschweiz wiederum schweigt: Sowohl St. Gallen und der Thurgau als auch beide Appenzell wollen erst morgen Mittwoch kommunizieren.
Ständeräte mit sanfter Anregung
Auch im Parlament ist das Testregime erneut Thema gewesen, konkret in der ständerätlichen Gesundheitskommission. Der Ruf nach Gratis-Tests ist hier aber deutlich weniger laut als noch vor wenigen Tagen: So legt die Kommission «dem Bundesrat nahe» zu prüfen, ob die Kosten der Corona-Tests nicht doch noch bis Ende November berappt werden sollen.