Auf einen Blick
- Die Mitte-Partei steht vor grossen personellen Wechseln
- Die Partei müsse sich nun für die Zukunft ausrichten, finden einige Mitte-Vertreter
- Die Besetzung der Schlüsselpositionen wird für die Wahlen 2027 wichtig sein, findet Politologe Lukas Golder
Bei der Mitte-Partei geht es diese Tage Knall auf Fall: Vergangene Woche verkündete Gerhard Pfister (62), dass er im Sommer sein Amt als Parteipräsident abgeben will. Mit Pfister geht auch seine rechte Hand, Generalsekretärin Gianna Luzio (45). Und am Mittwoch gab Bundesrätin Viola Amherd (62) an einer Medienkonferenz ebenfalls ihren Rücktritt bekannt.
Das Kandidatenkarussell ist bereits rege am Drehen. Ein Name wird dabei immer wieder genannt, sowohl für die Nachfolge als Parteipräsident als auch für den Bundesrat: der von Philipp Matthias Bregy (46). Falls er tatsächlich seinen Hut in den Ring wirft, könnte es sein, dass obendrauf noch sein Amt als Fraktionspräsident neu besetzt werden muss.
Alle Schlüsselpositionen wären damit auf einen Schlag frei. Mit den personellen Rochaden steht die Partei vor einem Umbruch. Was bedeutet das für die Mitte?
Wie richtet sich die Partei aus?
Einige Parteivertreter sehen den grossen Wechsel pragmatisch: Die Führungsstärke der Nachfolger stünden im Fokus, findet ein Mitte-Nationalrat. Kriterien wie Kantonszugehörigkeit, Geschlecht und Führungserfahrung seien die zentralen Punkte. Andere gewichtige Stimmen der Partei sehen das anders: Die Delegiertenversammlung werde sich die Frage nach der künftigen Ausrichtung der Partei stellen müssen, heisst es von mehreren Parlamentariern.
Unter den Parteimitgliedern im Bundeshaus tobt nämlich schon länger ein Machtkampf. Einerseits sind da die Kräfte der Erneuerung um Pfister, der die Partei stärker nach links gerückt und mit dem Namenswechsel von CVP zu Mitte eine urbane Wählerschaft für sich gewinnen konnte. Andererseits gibt es eine Gruppe konservativer Ständeräte, die ländliche Gebiete vertreten. In zentralen Dossiers sind sich die beiden Lager uneinig, etwa wie es mit den EU-Verträgen weitergehen soll.
Wegweiser für die Zukunft
Aus welchem Lager der neue Parteichef kommt, dürfte mit Blick auf die Wahlen 2027 wichtig werden. Pfister hat die Partei wieder auf Erfolgskurs gebracht. 14,1 Prozent Wähleranteil – das ist die Latte, an der sich die Nachfolge messen lassen muss. «Wenn Pfisters Strategie, urbane Gebiete zuzugewinnen, auch weiterhin aufgehen soll, dann sollte das neue Präsidium auch ein Vertreter der urbanen Partei sein», sagt ein Mitte-Parlamentsmitglied zu Blick.
«Die Partei setzt mit der Besetzung der Schlüsselpositionen einen Wegweiser für die Zukunft», sagt Lukas Golder (50), Politologe und Co-Leiter von GFS-Bern. Vor allem Parteipräsidium und Bundesrat werden das Gesicht der Partei mitprägen. Die richtigen Persönlichkeiten könnten helfen, in den städtischen Gebieten Aufmerksamkeit zu generieren. «Das urbane Potenzial der Mitte erachte ich als sehr wichtig. Dort kann die Partei noch wachsen und im Duell um den höheren Wähleranteil mit der FDP geht es um den Promillebereich.»
Der Walliser Beat Rieder (61) gilt als konservative Kraft im Ständerat. Auch er findet: Die personellen Wechsel werden wegweisend für die Zukunft der Mitte. «Wenn wir auf eine zukunftsorientierte Strategie setzen, haben wir die Chance, neue Wähler zu gewinnen und als Partei stärker zu werden.» Wie er sich diese Strategie vorstellt, will Rieder allerdings nicht sagen.
Doppelte Herausforderung
Dass neben Parteipräsidium auch noch ein neuer Bundesrat gewählt wird, stellt die Partei vor eine doppelte Herausforderung – vor allem in Sachen Kurzfristigkeit. «Bundesratswahlen generieren eine riesige Aufmerksamkeit in der Bevölkerung», so Golder. «Die Roadshows, bei denen die Partei ihre Bewerber der Öffentlichkeit präsentiert und die lange mediale Aufmerksamkeit helfen den Kandidaten, mehr Profil zu gewinnen.» Für die Nachfolge von Amherd falle das nun teilweise weg.
Auch das Gefüge innerhalb der Partei werde sich verschieben. «Auf nationaler Ebene sind es wenige Kollegen und Kolleginnen, die miteinander auskommen müssen. Dass nun Bundesrat, Parteipräsidium und vielleicht auch das Fraktionspräsidium neu besetzt werden, führt zu viel Konkurrenzkampf.» Obendrauf werde der Spagat innerhalb der Partei zwischen dem konservativen und progressiven Lager auch weiterhin bestehen bleiben.
Für die neuen Personalien dürfte es keine leichte Aufgabe sein, diese internen Zwistigkeiten im Zaum zu halten.
Umbruch zur richtigen Zeit
Viele Mitte-Vertreter, mit denen Blick gesprochen hat, betonen allerdings: Die personellen Änderungen seien für die Partei vor allem eine grosse Möglichkeit. Die Partei rücke ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Und: «Verschiedene wichtige Ämter gleichzeitig besetzen zu können, bietet doch die Chance, auch verschiedene Ansprüche bezüglich Landesteilen oder Geschlecht angemessen berücksichtigen zu können», sagt Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller (66).
Auch Pfister sagt im Tagesgespräch mit SRF: «Wir sehen, dass wir im Jahr 2025 wenig Abstimmungswochenenden und wenige grosse Vorlagen haben. Die grossen Themen kommen erst in einem Jahr wieder. Es ist der ideale Zeitpunkt für die Partei zu entscheiden, mit welchem Präsidenten man in die Wahlen 2027 will.»