Letzte Chance für die Kantone
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Sommaruga stellt Ultimatum:Letzte Chance für die Kantone

Bundesrätin Sommaruga stellt Corona-Ultimatum
Letzte Chance für die Kantone

Sie ist leise, aber nicht weniger deutlich: Am Krisengipfel gab Simonetta Sommaruga den Kantonen den Tarif durch. Gelingt es ihnen nicht, Corona unter Kontrolle zu bringen, übernimmt der Bund.
Publiziert: 15.10.2020 um 22:53 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2020 um 23:00 Uhr
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Die Corona-Zahlen steigen rasant – wir stehen sogar schlechter da als die USA.
Foto: BLICK Grafik
Sermîn Faki, Pascal Tischhauser, Daniel Ballmer

Sie war so eindringlich wie lange nicht mehr. «Es ist kurz vor zwölf», warnte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) am Donnerstag nach dem Krisengipfel mit den Kantonen. Wie um ihr recht zu geben, vermeldete das Bundesamt für Gesundheit kurz darauf 2613 Neuansteckungen bei 19'750 Corona-Tests. Die Positivitätsrate stieg auf 13,2 Prozent. 41 Erkrankte mussten ins Spital, zwei Patienten starben.

Alarmierende Fakten. Es müsse nun ein Ruck durchs Land gehen, sagte Sommaruga deshalb. «Je schneller uns dies gelingt, desto weniger Einschnitte gibt es.»

Sommaruga meinte vor allem die Kantone

Sommaruga redete damit der Bevölkerung, vor allem aber den Kantonen ins Gewissen. Diese haben aus ihrer Sicht zu lange damit zugewartet, Massnahmen zu ergreifen. Die Kantonsregierungen sind derzeit verantwortlich für das Krisenmanagement. Doch obwohl sie die Verantwortung unbedingt wollten, taten viele wenig zur Eindämmung der Pandemie und andere bis vor kurzem gar nichts. So sind die Neuinfektionen überall hochgeschnellt.

Da wollte die Bundespräsidentin nicht mehr länger zusehen und rief die wichtigsten Kantonsvertreter nach Bern. Hier machte sie den Regierungsräten klar, dass die Kantone endlich handeln müssen – sonst tut es der Bund. Mit Erfolg. Eiligst hat Vorstand der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) für heute Freitag zu einer ausserordentlichen Sitzung geladen.

Das Zögern sei «unmöglich»

BLICK weiss: Ohne Sommarugas Krisengipfel hätte es diese Sitzung nicht gegeben. Die GDK hätte sich erst kommenden Donnerstag wieder getroffen. «Unmöglich, angesichts der dramatisch steigenden Zahlen!», sagen Involvierte. «Aber jetzt ist wieder Zug im Kamin», sagt einer davon.

Und: Diese GDK-Sitzung ist die letzte Chance, die den Kantonen gewährt wird. Einigen sie sich nicht auf ein einheitliches Vorgehen, nimmt der Bundesrat die Zügel wieder in die Hand. Dann verordnet er wohl eine schweizweite Maskenpflicht für öffentliche Innenräume und empfiehlt Homeoffice. «Wenn die Kantone die Kraft nicht aufbringen, springt der Bund ein – das hat Sommaruga klargemacht», sagt eine Quelle.

Kantönligeist auch in der Ostschweiz

Wie schwer es ist, die Kantone auf eine Linie zu bringen, zeigt der jüngste Entscheid der Ostschweizer Gesundheitsdirektoren. Zwar einigten sie sich auf folgende Corona-Massnahmen: Maskenpflicht für Anlässe mit mehr als 30 Teilnehmern, Tanzverbot in Clubs und Partylokalen, Sitzpflicht in Restaurants und Bars.

Doch es ist nicht gesagt, dass die beiden Appenzell, St. Gallen, Thurgau, Glarus, Graubünden und Thurgau diese Massnahmen auch einführen. Die Gesundheitsdirektoren schlagen sie ihren Regierungskollegen bloss vor. Und: Auf eine Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen konnten sich nicht mal die Gesundheitsdirektoren einigen.

GDK-Engelberger bittet Bund, zu übernehmen

Faktisch räumt Sommaruga den Kantonsregierungen übers Wochenende eine Gnadenfrist ein. Beschliessen sie bis Anfang kommender Woche selbst wirksame Massnahmen, gut. Schaffen sie das nicht, nimmt die Bundespräsidentin ihnen das Heft aus der Hand. Das hat man den Regierungsspitzen gestern klargemacht. Doch selbst GDK-Präsident Lukas Engelberger (45) hat anscheinend wenig Vertrauen in seine Kantonskollegen. Nach dem Krisengipfel stellte er nicht nur klar, dass er eine landesweite Maskenpflicht befürwortet. Er bat den Bund gar förmlich darum, wieder mehr das Kommando zu übernehmen. Dafür im Bundesrat eine Mehrheit zu erhalten, gilt als blosse Formsache.

Corona-Fälle in der Schweiz

Wie viele Corona-Neuinfektionen gibt es in der Schweiz? Die täglichen Fallzahlen des BAG gibt es laufend im Statistik-Ticker auf BLICK.

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