Wenn es um Franken und Rappen geht, versteht SVP-Nationalrätin Martina Bircher (39) keinen Spass. Sie steht im Ruf, die härteste Sozialdirektorin des Landes zu sein. Jeden Rappen dreht sie zweimal um. In ihrem Städtchen Aarburg AG hat sie es mit harten Massnahmen geschafft, die Kosten für die Sozialhilfe praktisch zu halbieren – von 5,5 Millionen Franken auf unter 3 Millionen.
Daraus hat die SVP-Politikerin nun selber ein Geschäft gemacht. Mit ihrer Firma Bircher Consulting hilft sie anderen Gemeinden, die Sozialhilfekosten zu senken. «Bei fast jedem meiner Mandate habe ich grosses Einsparpotenzial aufzeigen können», sagt die Betriebsökonomin gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Bircher könne meist viel Einsparpotenzial aufzeigen
Unter Bircher ist Aarburg aus der Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) ausgetreten. Sozialhilfeempfänger würden akribisch kontrolliert, die Stadt macht unangekündigte Hausbesuche. Die «NZZ am Sonntag» nennt ein Beispiel: Schickt eine Migrantin ihr Kind nicht in den Deutschkurs, werden die finanziellen Mittel gekürzt. Denn: Sozialhilfe dürfe kein Dauerzustand sein. Höchstens eine kurze, temporäre Hilfe.
Birchers Start-up berät Gemeinden, wie sie bei den Sozialdiensten Geld sparen können. «Ein Auftrag war, die Firmenkultur eines Sozialdienstes zu verändern», erzählt Bircher von ihrer Beratertätigkeit. Normalerweise gehe es darum, die Prozesse wie in Aarburg zu optimieren: «Bei fast jedem meiner Mandate habe ich grosses Einsparpotenzial aufzeigen können.»
Sie habe bisher ein Dutzend Aufträge ausgeführt. Unter anderem hat sie den Gemeindeverband Jugend-, Familien- und Seniorenberatung Soziale Dienste Region Baden beraten. «Leider machen gerade die Gemeinden, die es am nötigsten hätten, nicht mit», wird Bircher zitiert.
Bircher stösst auf viel Kritik
Dass Bircher das Sparen bei den Ärmsten zum Business macht, findet die grüne Nationalrätin Irène Kälin (37) «befremdlich» – auch weil die SVP sonst immer über die sogenannte «Sozialindustrie» schimpfe. Auch bei SP-Nationalrätin Gabriela Suter (51) kommt nicht gut an, dass Bircher ihre politischen Konzepte verkauft. Es dürfe keinen Wettbewerb gegen unten geben: «Es braucht eine schweizweite Vereinheitlichung der Sozialhilfe und Rechtssicherheit.» Fast ein Drittel der Unterstützten seien Kinder.
«Aufgabe der Sozialhilfe ist, diesen Menschen zu helfen, und nicht, sie aus der Gemeinde wegzubefördern», kritisiert auch Christoph Eymann (73). Der ehemalige Basler National- und Regierungsrat ist Präsident der SKOS. «Wenn Randständige ihr Dach über dem Kopf verlieren, dann ist das zuerst einmal nichts Gutes.» Zwar könne die Gemeinde so sparen. Doch: «Wenn alle Gemeinden auf diese Strategie setzen, dann geht es irgendwann einmal nicht mehr auf.»
Verschärfungen in der Asylpolitik nötig
Dennoch: Es erstaune nicht, dass Bircher ihre Rezepte verkaufen kann. Denn die Integrationspolitik sei härter geworden. Dass zeige sich auch daran, dass Asylminister Beat Jans (59) vermehrt die Schraube anzieht.
Heute aber sei die Integrationspolitik oft nicht durchdacht, findet der Experte Thomas Kessler (64). Die Schweiz müsse gleich zu Beginn des Integrationsprozesses viel mehr in Förderprogramme investieren. Das koste, sei aber langfristig günstiger. Dazu brauche es Verschärfungen in der Asylpolitik: «Wenn wir es schaffen, die Gesuchsteller ohne Anspruch auf Asyl früh herauszufiltern, machen wir enorm Ressourcen frei. Diese können wir in die rasche Integration der Schutzberechtigten investieren.» (dba)