BQ.1.1 heisst die neue Coronavirus-Variante, die in Expertinnenkreisen von sich reden macht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat sie unter Beobachtung. Insbesondere in den USA, Frankreich oder Deutschland macht sie sich derzeit in rasantem Tempo breit.
Die neue Variante werde noch vor Ende November zu einer neuen Varianten-Welle in Europa und Nordamerika führen, warnte der deutsche Bioinformatiker Cornelius Römer auf Twitter. BQ.1.1 dürfte in den kommenden Wochen auch in der Schweiz Überhand nehmen, sagt der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri (62) im Blick-Interview. «Sie wird die jetzige Corona-Welle wieder beflügeln.»
Davon geht auch Biophysiker Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel aus. «BQ.1.1 ist eine Variante, die existierende Immunität teilweise unterlaufen kann», erklärt er auf Anfrage. «Die Variante nimmt seit einiger Zeit an Häufigkeit zu.»
Schon bei 5 bis 15 Prozent
Tatsächlich ist die neue Omikron-Variante – ein Abkömmling des hierzulande noch vorherrschenden BA.5-Typs – bereits in der Schweiz angekommen. «Je nach Region machte BQ.1.1 nach unseren letzten Daten 5 bis 15 Prozent aller Sequenzen aus», sagt Simon Ming vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) gegenüber Blick. Allerdings stammen die letzten Daten von Mitte Oktober, weshalb «der aktuelle Anteil wahrscheinlich bereits höher ist».
Noch sei BA.5 die dominierende Variante, doch der Anteil der neuen Variante nehme sowohl bei der Sequenzierung klinischer Proben als auch bei der Abwasseranalyse zu. Und sie dürfte weiter steigen, denn: «Im Vergleich zur derzeit dominierenden BA.5 kann BQ.1.1 besser die derzeitige Immunität umgehen und kann sich daher leichter verbreiten.»
Mehr Corona-Fälle erwartet
Das wirkt sich auch auf die aktuelle Corona-Welle aus. «Wir erwarten angesichts der aktuellen Daten, dass BQ.1.1 bis in wenigen Wochen die dominierende Omikron-Untervariante in der Schweiz sein wird», so der BAG-Sprecher. «Dies wird höchstwahrscheinlich zu einem erneuten Anstieg der Fälle führen.»
Biophysiker Neher weist darauf hin, dass es noch einige andere Varianten gebe, die ähnlich immunausweichend und oft an ähnlichen Stellen im Spike-Protein verändert seien wie BQ.1.1. «Wir erwarten, dass diese Varianten in den kommenden Wochen dominant werden», sagt er. «Zusammen mit dem Beginn der kalten Jahreszeit könnte dies wieder zu einem Anstieg der Fallzahlen führen.»
Immerhin: Auf die Spitalbelastung sollte die neue Variante keinen entscheidenden Einfluss haben. So schätzt das BAG den Subtyp «für die einzelne Person an sich nicht als gefährlicher ein als frühere Omikron-Varianten». Es gebe derzeit auch keine Hinweise darauf, dass sie zu schwereren Erkrankungen führe als die anderen Varianten.
Impfkampagne läuft
In der Schweiz läuft derzeit die Kampagne für eine weitere Auffrischimpfung. Inwiefern diese auch gegen den neuen Subtyp hilft, bleibt vorerst offen. Für eine belastbare Aussage reichen die Daten noch nicht.
Umgekehrt gibt es bisher aber auch keine Hinweise, dass die derzeit verfügbaren Impfstoffe bei der neuen Variante schlechter vor schweren Verläufen schützen würden. Deshalb wird die Auffrischimpfung für Seniorinnen und Senioren über 65 sowie Risikogruppen weiterhin empfohlen.
Behörden bleiben wachsam
Klar ist derweil, dass das Coronavirus auch künftig weiter mutiert. Das Auftauchen einer gefährlicheren Variante ist daher nicht ausgeschlossen – auch wenn etwa Kantonsarzt Hauri keinen eigentlichen Game-Changer mehr erwartet.
Die Behörden bleiben aber wachsam. So betont auch BAG-Sprecher Ming: «Das BAG verfolgt die epidemiologische Entwicklung innerhalb und ausserhalb der Schweiz engmaschig.»