Böser Jositsch, guter Jositsch
Die verblüffend bewegliche Jacqueline Badran

Die Zürcher SP-Nationalrätin will ihren Genossen geradezu in den Bundesrat loben – vor einem Jahr tönte das noch ganz anders. Der Schwenker hat einen einfachen politischen Grund.
Publiziert: 22.10.2023 um 11:04 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2023 um 11:22 Uhr
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Wenn Daniel Jositsch Bundesrat würde, wird der Zürcher Ständeratssitz frei.
Foto: keystone-sda.ch
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

In der Politik ist Wendigkeit von Vorteil. In dieser Disziplin hat die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (61) gerade allen den Meister gezeigt.

Als ihr Genosse Daniel Jositsch (58) letztes Jahr Bundesrat werden wollte, schimpfte Badran auf dem Kurznachrichtendienst X über den Zürcher Ständerat. «Einfach nur, dass es klar ist», twitterte sie am 11. November 2022, «wenn Jositsch auf dem Ticket wäre, ist er auch gewählt: Weil die SP dann zwei Wähler-Prozente verlieren würde», Weshalb es ihn zu verhindern gelte.

Ein Bundesrat Jositsch würde laut Badran also die Schweizer Sozialdemokratie schwächen. Das ist in etwa der härteste Vorwurf, den eine Linke einem Parteikollegen öffentlich machen kann. Tags darauf doppelte sie nach: «Jositsch würde nicht gewählt, weil er ‹der Beste› wäre, sondern weil es der SP bezüglich Wähleranteilen schaden würde.»

Gibt es zwei Badrans?

Ein Jahr später staunen die Beobachter. In einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen vom 14. Oktober schlägt sie komplett andere Töne an. «Ich glaube, er wäre ein guter Bundesrat, und ich werde mich sicher darum bemühen, dass er aufs Ticket kommt.»

Ist das ein gerissenes Manöver oder bloss ein Versprecher? Gibt es gar zwei Jacqueline Badrans? Die geläuterte Pöblerin schwärmt sogar noch weiter: Jositsch sei «in der Bevölkerung beliebt».

Wir lernen: Gestern hätte Jositsch in der Regierung die SP zwei Wählerprozente gekostet, heute ist er «in der Bevölkerung beliebt». Die neue Harmonie zwischen den beiden Alphatieren ist geradezu rührend, ja hollywoodreif.

Chancen auf dem Ständeratssitz

Was steckt hinter der Kehrtwende? Des Rätsels Lösung ist so banal wie ein B-Movie: Würde Daniel Jositsch im Dezember in den Bundesrat gewählt, wäre sein Zürcher Ständeratssitz frei.

Wer stünde für die SP in der Pole-Position? Natürlich jene Nationalrätin, die bei den letzten eidgenössischen Wahlen sensationelle 109'992 Stimmen erhielt und unangefochtene Panaschierkönigin wurde: Keine andere Politikerin holte mehr Support von anderen Parteien als sie. Ihr Name: Jacqueline Badran.

Auf Anfrage sieht es die Politikerin freilich ganz anders, so weist sie weit von sich, ihren Genossen je «harsch kritisiert» zu haben, auch «schwärme» sie heute nicht von ihm. Stattdessen mahnt Badran, den «Unterstellungsjournalismus» zu unterlassen.

Einen Punkt jedoch verschweigt sie in ihrer Antwort an den SonntagsBlick: das Thema Ständerat.

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