Wenn die SVP einen Monat vor dem 22. Oktober im Nationalrat eine ausserordentliche Session zum Thema Migration und Asyl durchdrückt (das kann sie ohne Stimmen aus anderen Parteien), dann ist nicht schwer zu erraten, worum es geht: Wahlkampf.
Die SVP setzt vor den Wahlen 2023 auf ihr Kernthema «Es kommen zu viele und es kommen die Falschen» – und das wollte sie auch Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) nochmals um die Ohren hauen.
Baume-Schneider filibusterte
Auf dem Programm standen verschiedene Motionen zur «10-Millionen-Schweiz» und zur Forderung, Asylverfahren künftig im Ausland durchzuführen. Sage und schreibe zwei Dutzend SVP-Nationalrätinnen und Nationalräte standen an, um Baume-Schneider mit Fragen zum «Asylansturm» zu löchern.
Angesichts der personellen Aufstockung des Tessiner Grenzschutzes hat Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider die Situation relativiert. Die Migration bleibe unter Kontrolle, sagte sie in einem Interview.
«Wir sind weit von einer katastrophalen Situation entfernt», sagte die Justizministerin in den Westschweizer ESH-Medien und «La Liberté» von Donnerstag. Sie warnte davor, die Situation zu überspitzen. Es handle sich nicht um Horden von Zollbeamten, die vom Norden in den Süden ziehen würden. Vielmehr seien es «einige zusätzliche Personen», um die Mitarbeitenden im Tessin zu entlasten.
Baume-Schneider verstehe, dass sich die Einwohnerinnen und Einwohner von Chiasso TI Sorgen machen würden. Doch nur drei Prozent der Migrantinnen und Migranten, die an der Südgrenze identifiziert würden, stellten einen Asylantrag in der Schweiz. Die meisten wollen «nur das Land durchqueren», sagte die SP-Bundesrätin.
Angesichts der personellen Aufstockung des Tessiner Grenzschutzes hat Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider die Situation relativiert. Die Migration bleibe unter Kontrolle, sagte sie in einem Interview.
«Wir sind weit von einer katastrophalen Situation entfernt», sagte die Justizministerin in den Westschweizer ESH-Medien und «La Liberté» von Donnerstag. Sie warnte davor, die Situation zu überspitzen. Es handle sich nicht um Horden von Zollbeamten, die vom Norden in den Süden ziehen würden. Vielmehr seien es «einige zusätzliche Personen», um die Mitarbeitenden im Tessin zu entlasten.
Baume-Schneider verstehe, dass sich die Einwohnerinnen und Einwohner von Chiasso TI Sorgen machen würden. Doch nur drei Prozent der Migrantinnen und Migranten, die an der Südgrenze identifiziert würden, stellten einen Asylantrag in der Schweiz. Die meisten wollen «nur das Land durchqueren», sagte die SP-Bundesrätin.
Und standen sich erst einmal die Beine in den Bauch. Denn die Bundesrätin dehnte ihr Votum auf geschlagene 23 Minuten aus – quasi ein Filibuster magistraler Art. Die SVP-Politiker standen von einem Fuss auf den anderen, lehnten sich an den edlen Täfer im Nationalratssaal und warteten, warteten, warteten. FDP-Nationalrat Hans-Portmann (60, ZH) nahm die SVP-Kollegen auf seine Art auf die Schippe und verteilte ihnen Schöggeli.
«Frage, Frage!»
Nationalratspräsident Martin Candinas (43) ahnte schon, was auf ihn zukommen würde. Er erinnerte den Rat, nachdem Baume-Schneider fertig war, daran, dass jedes Ratsmitglied das Recht habe, Fragen an den Bundesrat zu stellen. «Aber im Reglement heisst es, die Frage muss ‹kurz und präzise› und die Antwort ‹knapp› sein» – was durchaus als Seitenhieb auf Baume-Schneider zu verstehen war, die ihre Redezeit weidlich ausgereizt hatte.
An Candinas' Appell aber hielt sich schon der erste Fragesteller, der Schwyzer Nationalrat Marcel Dettling (42), nicht. Jedenfalls nicht aus Sicht von SP-Nationalrat Fabian Molina (33). «Frage, Frage», rief er in den Saal und wurde von Candinas in die Schranken gewiesen. «Ich leite die Sitzung», beschied er Molina – und Dettling, er möge seine Frage stellen. Er erntete Applaus aus der politischen Mitte.
SVP-Aeschi lupfte es den Hut
Als Molina auch beim nächsten Fragesteller wieder lautstark eine «Frage!» forderte, lupfte es SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44) den Hut. Er marschierte wutentbrannt zu Molina und stellte diesen in den Senkel. Bis sich SP-Co-Chef Cedric Wermuth (37) und Fraktionschefin Samira Marti (29) zwischen die Streithähne warfen.
Aeschis Intervention sorgte bei der SP umso mehr für Kopfschütteln, weil Molinas Zwischenrufe eine Vorgeschichte haben: In der ausserordentlichen Debatte zum Thema Mieten wenige Stunden zuvor hatten SVPler ebenso dazwischengerufen, als SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (61, ZH) ausufernde Fragen stellte.
Baume-Schneider blieb cool
Danach ging die Debatte deutlich geordneter weiter. Baume-Schneider stellte sich den Fragen der SVP souverän und offen – ob es nun um Ausländerkriminalität ging, um wegen Einwanderern überlastete Züge oder um das schlechte Pisa-Abschneiden der Schweiz wegen ausländischer Schulkinder.
Interessant war, dass die SVP im Zusammenhang mit der Migration ihr Herz für die Mieterinnen und Mieter entdeckte. Am Vormittag, als es eine ausserordentliche Session zu Wohnungsknappheit und Mietexplosion gab, konnte sich die SVP nicht dafür erwärmen.
Baume-Schneider gab den Fragestellern recht, wenn sie recht hatten, widersprach, wenn nicht, und gab auch zu, wenn sie eine Antwort nicht wusste. Sogar auf die von Aeschi scharf gestellte Frage, ob Baume-Schneider bereit sei, demnächst in die SVP-Fraktion zu kommen und die Diskussion über den «Asylansturm» weiterzuführen, reagierte sie cool: «Ja sicher, Sie müssen mich nur einladen, dann bin ich dort.»
SVP-Motionen abgelehnt
Dann ging das Parlament wieder zur Tagesordnung über: Die beiden Motionen der SVP nach einer eigenständigen Steuerung der Migration und Asylzentren im Ausland wurden abgelehnt, eine andere Motion der FDP angenommen.
So weit alles wie immer. Ob sich der Nationalrat mit dieser Debatte so kurz vor den Wahlen einen Gefallen getan hat, steht auf einem anderen Blatt.