Am Ende wandern das Rindsragout und die Tessiner Polenta für Bundesrat Albert Rösti (55) wieder zurück in den Kühlschrank. Weil ein Treffen länger dauerte als geplant, bleiben dem Umweltminister an diesem Mittag nur 18 Minuten fürs Zmittag, Bestellung inklusive. Sportlich, aber machbar, findet sein Team offenbar.
Doch als die drei Köche bereits am Herd stehen, kommt die Nachricht: Bestellung storniert. Es reicht doch nicht. Rösti muss mit leerem Magen zum nächsten WEF-Termin im Haus. Und der Kellner kann die weissen Handschuhe wieder ausziehen, die bei hohem Besuch zum Einsatz kommen.
Das Personal im House of Switzerland ist sich Planänderungen gewohnt. Dieter Borer (51) ist ständig am Telefon oder Walkie-Talkie, um irgendwas zu organisieren oder sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen abzusprechen. Borer ist Protokollchef des House of Switzerland und in dieser Funktion so etwas wie der Chef-Koordinator.
Gala-Diner auf dem Eisfeld
Seit 2019 verwandelt der Bund das HCD-Stadion in Davos für eine Woche ins House of Switzerland. In den Logen, in denen sonst VIP-Gäste den Eishockeymatch verfolgen, treffen sich Bundesräte mit ausländischen Amtskollegen. Über 50 bilaterale Treffen werden in diesen Tagen im Stadion abgehalten. Auf anderen Etagen finden Panel-Diskussionen statt, in einem anderen Bereich des Stadions die Medienkonferenzen der Bundesräte.
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«Das House of Switzerland ist die Vitrine der Schweiz am WEF», sagt Alexandre Edelmann (43), Ad-interim-Chef von Präsenz Schweiz, der Abteilung, die zuständig für die Landeskommunikation im Aussendepartement ist. Firmen und Organisationen können darin beispielsweise ihr Engagement für Nachhaltigkeit oder ihre Innovationskraft präsentieren. Mit dem Haus wolle man zeigen, «dass die Schweiz ein wichtiger Player ist», so Edelmann.
Raclette mit dem Premier Luxemburgs
Um Viertel vor zwei tritt Bundespräsident Alain Berset (50) im dritten Stock des Hockeystadions auf die Bühne. Vorher hat er den luxemburgischen Premier Xavier Bettel (49) zu einem gemeinsamen Raclette getroffen. Nun eröffnet er eine Diskussionsrunde zum Thema Plastikverschmutzung, Gäste sind unter anderen die Direktoren der Weltgesundheits- und der Welthandelsorganisation sowie der Präsident Ecuadors.
Mit zwei Lastwagen und zwei Lieferwagen voll Material – Möbel, Fahnen, Dutzende Meter roter Teppich – sei man vergangene Woche vor dem Eisstadion vorgefahren, erzählt Michela Lucchini (56) vom Bundesamt für Bauten und Logistik. Das Geschirr, das beispielsweise auch für das vom WEF veranstaltete Gala-Diner mit Gründer Klaus Schwab (84) gebraucht wurde, stammt aus dem Bernerhof, dem Sitz des Finanzdepartements in Bern.
«Stressigste Zeit im Jahr»
«Die WEF-Woche ist für mich die stressigste Zeit im Jahr, es sind sehr intensive Tage», erzählt Lucchini. Ihr Kollege Borer vom Aussendepartement umschreibt seinen Job unter anderem so: «Man rennt eigentlich den ganzen Tag von einem Brennpunkt zum anderen.»
Die Mitarbeiter des House of Switzerland wollen alles perfekt machen. Draussen wischt einer regelmässig den Schnee vom roten Teppich, Bundesräte und ihre Entourage werden von Termin zu Termin begleitet, die Serviceangestellten wissen genau Bescheid über die Vorlieben der Magistraten. Wer möchte lieber Wasser mit Kohlensäure, wer ohne? Und wie ists mit Kaffee oder Tee?
Doch trotz aller Vorbereitungen: Manchmal ist Improvisationstalent gefragt. Als er zwischendurch für ein Foto posiert, erzählt Protokollchef Borer, dass er aus Versehen zwei unterschiedliche Schuhe eingepackt hatte. Also musste er sich in Davos erst einmal auf die Suche nach neuen Sneakern machen, berichtet er schmunzelnd. Dann muss er weiter. In zwei Minuten muss er bei Albert Rösti sein, informiert ihn seine Kollegin. Der Bundesrat muss zum nächsten Treffen begleitet werden. Fürs Essen hat er wohl auch jetzt keine Zeit.