In Pink ist sie nicht gekommen. Anders als viele junge und ältere Frauen und sogar der eine oder andere Mann, die am Donnerstagabend den Weg ins Berner Kino CineBubenberg gefunden haben. «Wann gab es das letzte Mal eine Schlange vor einem Kino?», fragt Tamara Funiciello (33) zur Begrüssung.
Auf dem Programm steht «Barbie». Der Film über die berühmteste und gleichzeitig umstrittenste Puppe der Welt sei eine «satirische Gesellschaftskritik über weit verbreitete Geschlechterrollen», urteilte der «Stern». Die deutsche Frauenzeitschrift «Brigitte» sah gar eine «Revolution in Pink».
Stimmt das? Blick wollte es genau wissen und ist mit Funiciello ins Kino gegangen, der wohl bekanntesten und ebenso streitbaren Feministin der Schweiz und Co-Präsidentin der SP Frauen.
Funiciello hatte selbst drei Barbies
Was wir noch vor dem Film klären müssen: Hatte Funiciello selbst eine Barbie als Kind? «Sogar drei», sagt sie überraschenderweise. Sie sei gespannt auf den Film, habe vorher extra nichts darüber gelesen, allerdings sei ihr Tiktok voll mit Barbie-Content. «Das ist ein Mega-Hype, eine gigantische Werbetrommel für den Hersteller Mattel.» Der den 145 Millionen Dollar teuren Film übrigens mitfinanziert hat.
Noch schnell zwei Weisse Holunder holen – der Weisswein mit Sirup passt sicher zum Film. Ausserdem weiss man ja nie, ob es Alkohol braucht, um 114 Minuten Barbie-Mania zu überstehen. Schon gehen die Lichter aus, auf der Leinwand erscheint ein riesiges Warner-Brothers-Logo. «Das ist sonst auch nicht pink, oder?», fragt Funiciello, die es nicht häufig ins Kino schafft. Nein, ist es nicht. Es geht also schon los.
Lachen übers Patriarchat
Und in Pink weiter. Die Plastikwelt, in der die Barbies und Kens leben, ist irgendwie süss und klebrig. Aber dank der kleinen Spitzen auf die Künstlichkeit auch unterhaltsam. Als Barbies Anhängsel Ken auftaucht und verzweifelt um deren Aufmerksamkeit bettelt, kichert die Feministin erstmals. «Es ist lustig, wenn man die Stereotype, mit denen Männer und Frauen in Filmen dargestellt werden, einmal umkehrt», flüstert sie.
Was dich zu «Barbie» noch interessieren könnte
So richtig Spass hat Funiciello, als Ken die Macht der Männer in der realen Welt entdeckt – und ein neues Zauberwort: Patriarchat. «Allein, dass das Wort im Film vorkommt, ist echt überraschend», wird die Bernerin später sagen. Als in einer Szene ein Mattel-Mitarbeiter sagt: «Das mit dem Patriarchat machen wir immer noch gut, wir verstecken es jetzt nur besser», lacht sie laut auf.
Die Handlung nimmt ihren Lauf, wir sehen Ken zu, wie er in Barbieland das Ken-dom-Land ausruft, die Barbies sich zusammentun und die Macht zurückerobern, wie eine Mutter und eine Tochter zueinanderfinden und wie Barbie sich wünscht, kein Geschöpf mehr zu sein, sondern Schöpferin. Im Abspann kann Mattel seine gesamte Barbie-Kollektion zeigen.
«Gute Einführung in den Feminismus»
Wir ziehen weiter in die Berner Nacht, Funiciello bestellt einen Aperol Spritz. Dass sie diesen Gummibärli-Drink nach zwei Stunden in Barbieland noch verträgt!?
Aber jetzt, Karten auf den Tisch, Tamara Funiciello: Wie war es dort? «Überraschend gut», offenbart die Nationalrätin. «Klar hat der Film nicht besonders viel Tiefgang. Aber er ist eine echt gute Einführung in den Feminismus.»
Da werde vieles thematisiert: Der Sexismus, wenn sich Barbie in der echten Welt zum Objekt herabgesetzt fühlt, sexuell belästigt wird und eine diffuse Angst entwickelt, ohne genau zu wissen, wovor. Die toxische Männlichkeit, wegen der Ken sich dauernd mit anderen Kens messen und kämpfen muss, gleichzeitig wegen der unerwiderten Liebe zu Barbie verzweifelt und seine Gefühle aber hinter einer Macho-Fassade versteckt. Und die Wut der Mutter, die von der Unmöglichkeit berichtet, die vielen widersprüchlichen Rollen zu spielen, die von einer Frau erwartet werden.
«Das sind sehr starke Bilder», so Funiciello.
Mehr als gute Unterhaltung
Natürlich gebe es problematische Passagen. Als die Zuschauerinnen zu Beginn des Films die blonden, schwarzen, dicken und eine trans Barbie vorgeführt bekommen, seufzt sie. «Es reicht halt nicht, sie abzubilden – man müsste diese Menschen unterstützen und ihnen auch mal eine Hauptrolle geben und nicht immer nur Diversity-Nebenrollen.» Das sei durchsichtig und Teil einer Image-Korrektur. Und natürlich sei der Film vor allem Werbung, um noch mehr Puppen zu verkaufen. «Aber Mattel verschleiert das auch gar nicht, und das ist erfrischend ehrlich.»
Und was ist jetzt die Botschaft des Films? «Dass Feminismus das Leben für alle besser macht. Auch für die Kens», sagt Funiciello. «Und ausserdem ist es recht gute Unterhaltung.»