Auf einen Blick
- Gewerkschaften fordern fünf Prozent mehr Lohn
- Arbeitnehmer kämpfen mit hohen Rechnungen und ungenügenden Löhnen
- Reallöhne sind heute tiefer als vor fünf Jahren
Seit Jahren wächst der Unmut unter Schweizer Arbeitnehmenden. Die Wirtschaft boomt, die Firmen schreiben satte Gewinne – und dennoch bleibt das Portemonnaie der Angestellten erschreckend leer. Denn trotz guter Konjunktur, steigender Preise und wachsender Produktivität hat sich der Lohn für viele Schweizer in den vergangenen Jahren eher rückläufig entwickelt.
«Es reicht!», finden die Gewerkschaften. An der heutigen Medienkonferenz des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) machen sie klar, dass jetzt endlich der Lohnrückstand aufgeholt werden müsse. Die Forderung: bis zu fünf Prozent mehr Lohn!
Obwohl die Schweizer Firmen die Preise kräftig angezogen hätten und die Konjunktur bestens laufe, hätten sie die hart arbeitenden Angestellten vergessen. In vielen Unternehmen sei nicht einmal ein Teuerungsausgleich gewährt worden.
«Real 300 bis 500 Franken mehr Monatslohn»
Damit verfolgt der SGB die gleiche Stossrichtung wie der Arbeitnehmer-Dachverband Travailsuisse. Dieser hatte bereits Mitte August dringend Lohnerhöhungen von bis zu vier Prozent gefordert. Die Arbeitgeberseite hält das für «überrissen, weltfremd und gefährlich».
«Die unteren und mittleren Gehälter hätten real 300 bis 500 Franken mehr Monatslohn, wenn das Lohnpotenzial ausgeschöpft worden wäre», sagte SGB-Chefökonom Daniel Lampart (55). Die Reallöhne seien heute tiefer als vor fünf Jahren.
SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (56) unterstrich die dramatische Lage: «Es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmenden real immer weniger verdienen, während die Produktivität steigt.» Jetzt müsse dieser Rückstand aufgeholt werden, damit der Wert der Arbeit wieder fair anerkannt werde.
«Löhne reichen immer weniger zum Leben»
Auch Vania Alleva (55), Präsidentin der Gewerkschaft Unia, lässt kein gutes Haar an der bisherigen Lohnentwicklung: Die Situation sei alarmierend! «Ob Arbeitnehmende im Detailhandel, in der Industrie, Büezer auf den Baustellen oder Mitarbeitende in der Hotel- und Gastrobranche oder in der Alterspflege: All diese Menschen kämpfen jeweils am Monatsende mit hohen Rechnungen und ungenügenden Löhnen, die immer weniger zum Leben reichen.»
Doch das Problem betrifft nicht nur die Privatwirtschaft. Auch der Service public bleibe nicht verschont. Natascha Wey (42), Generalsekretärin des Schweizerischen Verbands des Personals öffentlicher Dienste (VPOD), rechnet vor: «Viele Kantone und der Bund sind mit dem Teuerungsausgleich im Rückstand. Die Reallöhne im öffentlichen Sektor sind in den vergangenen Jahren teilweise stärker gesunken als im privaten Sektor.»
Die kommende Lohnrunde wird zeigen, ob die Forderungen erhört werden – oder ob die Arbeitnehmer weiter das Nachsehen haben.