Die Schweiz steckt in einer Kaufkraftkrise. Die Reallöhne sind drei Jahre in Folge gesunken, inzwischen liegen sie wieder auf dem Niveau von 2014 – obwohl sich die Wirtschaft erholt hat und die Produktivität gestiegen ist.
Der Arbeitnehmer-Dachverband Travailsuisse und seine Verbände fordern daher dringend Lohnerhöhungen von bis zu vier Prozent. Denn die Lage für die Arbeitnehmenden sei ernst, argumentierten sie am Montag an einer Medienkonferenz in Bern.
Neben der allgemeinen Teuerung drückten stetig steigende Lebenshaltungskosten, besonders die Krankenkassenprämien, immer stärker auf die Haushaltsbudgets. «Während die Wirtschaft seit 2021 real um über sieben Prozent gewachsen ist, sind die Reallöhne um mehr als drei Prozent gefallen», sagte Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travailsuisse. «Wir haben hier einen massiven Nachholbedarf bei den Löhnen.»
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«Arbeitnehmende brauchen höhere Reallöhne»
Es sei jetzt der richtige Zeitpunkt, die in den vergangenen Jahren erzielten Produktivitätsgewinne endlich an die Arbeitnehmenden weiterzugeben. Die wirtschaftliche Erholung und der nachlassende Preisdruck auf Unternehmen böten dafür die idealen Voraussetzungen.
«Es ist nicht akzeptabel, dass die Unternehmen die Produktivitätsgewinne für sich behalten. Die Arbeitnehmenden brauchen höhere Reallöhne, um die ständig steigenden Lebenshaltungskosten zu bewältigen», sagte auch Yvonne Feri (58), Präsidentin der Gewerkschaft Syna. Die Gewerkschaft fordert daher Lohnerhöhungen zwischen zwei und vier Prozent.
Im öffentlichen Dienst sei die Lage besonders angespannt – vor allem in der Bundesverwaltung und bei der Post. Hier hätte in keiner Branche die Teuerung durch den Lohn ausgeglichen werden können. Die Reallohnverluste seien erheblich und gefährdeten die Kaufkraft der Mitarbeitenden. «Diese Reallohnverluste sind schlichtweg inakzeptabel. Wir fordern für 2025 den vollen Teuerungsausgleich und rückwirkend den Ausgleich der aufgelaufenen Teuerung der vergangenen Jahre. Das ergibt Lohnforderungen zwischen 2,5 und 4 Prozent», erklärt Greta Gysin (40), Präsidentin vom Personalverband Transfair und Grünen-Nationalrätin.
Noch düsterer sehe es im Gastgewerbe aus. Trotz eines wirtschaftlich hervorragenden Jahres 2023 und positiven Aussichten für 2024 seien die Arbeitgeberverbände nicht bereit, den Beschäftigten Löhne zu zahlen, die zum Leben reichten. «Die Verhandlungen über die Mindestlöhne im Gastgewerbe sind gescheitert. Wegen der kompromisslosen Haltung der Arbeitgeber haben wir nun das Schiedsgericht angerufen», sagt Roger Lang, Leiter Sozialpolitik bei der Hotel & Gastro Union.
Bei praktisch allen sank das Einkommen
Rechenbeispiele von Travailsuisse verdeutlichen, wie die Lage tatsächlich ist: Familie Schmid, die 2014 ein Einkommen von 4'900 Franken hatte, verzeichnete bis 2024 nur einen minimalen Anstieg auf 4'907 Franken. Gleichzeitig stiegen die Krankenkassenprämien der vierköpfigen Familie von 9'372 auf 12'924 Franken pro Jahr. Das Ergebnis: Trotz eines Reallohnzuwachses von gerade einmal 92 Franken sank das verfügbare Einkommen um satte 3'460 Franken jährlich.
Auch die vierköpfige Familie Meier, die 2014 mit einem Einkommen von 8'000 Franken startete, erlebte Ähnliches. Ihr Einkommen stieg bis 2024 lediglich um 12 Franken monatlich, während die Krankenkassenprämien um 3'552 Franken pro Jahr anstiegen. Unterm Strich bleibt ein Rückgang des verfügbaren Einkommens um 3'402 Franken jährlich.
Einzelpersonen wie Daniel Müller trifft es ebenfalls hart. Sein Lohn stieg von 4'900 auf 4'907 Franken zwischen 2014 und 2024. Doch gleichzeitig schossen die Krankenkassenprämien von 3'732 auf 4'704 Franken im Jahr in die Höhe. Sein verfügbares Einkommen sank dadurch um 880 Franken jährlich.