Die Corona-Pandemie hat die Schweiz nicht mehr im Griff. Die Massnahmen wurden aufgehoben und der Alltag läuft langsam, aber sicher wieder in gewohnten Bahnen. Zwar droht im Herbst erneut eine Pandemie-Welle, wie Moderna-Chefarzt Paul Burton (53) im Blick-Interview warnt, in der Bevölkerung ist davon im Moment jedoch kaum etwas zu spüren.
Die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF) hat auf die beinahe zwei Jahre Pandemie-Politik zurückgeblickt und beim Studienbüro Bass eine Geschlechteranalyse ausarbeiten lassen.
Diese kommt zum Schluss: Die Schweiz hat die Corona-Krise insgesamt bis anhin zwar gut gemeistert, allerdings hat der Umgang mit der Pandemie die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verschärft – zu Ungunsten der Frauen.
Mütter litten besonders
Die Corona-Pandemie drohte bereits zu Beginn die Ungleichheiten zwischen den Frauen und Männern zu verstärken. Besonders die Kombination von Homeoffice und Schulschliessungen ging zulasten der Mütter. Denn die plötzliche Homeffice-Pflicht machte es schwierig, Job und Kinder unter einen Hut zu bringen. Denn es waren vorwiegend die Frauen, die die zusätzliche Kinderbetreuung übernehmen und entsprechend ihr Arbeitspensum reduzieren mussten.
Allerdings sieht die Situation anders aus, wenn sämtliche unbezahlte Haushaltsarbeiten mitberücksichtigt werden. Laut Studie haben Männer während des ersten Lockdowns einen leicht höheren Anteil der unbezahlten Arbeit übernommen als vor der Pandemie. Vor allem bei gut ausgebildeten Paaren ergab die Studie, dass sich Männer während der Pandemie stärker an der Haus- und Familienarbeit beteiligten.
Ärmere Haushalte betroffen
Generell stellte die Bass-Studie auch grosse Unterschiede innerhalb der Gruppe der Frauen fest. Vor allem Frauen mit tiefen Einkommen, unsicherem Aufenthaltsstatus oder kleinen Teilzeitpensen gehörten zu den Verliererinnen der Krise.
So waren etwa private Haushaltshilfen – knapp 90 Prozent davon sind weiblich – von den Covid-Hilfen ganz ausgeschlossen. «Sie wurden nicht unterstützt, sondern einfach an die Arbeitslosenversicherung verwiesen.»
Von Covid-Hilfen ausgenommen waren zudem Selbständige, die ein festgelegtes Mindesteinkommen nicht erreichten. Die Studie legt nahe, dass es sich dabei häufig ebenfalls um Frauen handelte, die Teilzeit ein Coiffeur- und Kosmetiksalon betrieben.
Insgesamt zeigt die Bass-Studie, dass sich die Lage für Haushalte mit tiefem Einkommen zuspitzte. Anders als Gutverdienende hatten diese mit Einkommensverlusten zu kämpfen. Und es leben überdurchschnittlich viele Frauen in armen Haushalten.
Schaden hielt sich in Grenzen
Gerade im Januar 2021, als die Erwerbslosenquote für beide Geschlechter einen Höchststand erreichte, war der Unterschied zwischen den Geschlechtern am grössten.
Die Studienautoren erklären dies unter anderem mit der starken Betroffenheit des Gastgewerbes: «Zu vermuten ist, dass die unregelmässigen und häufig im Stundenlohn bezahlten Arbeitsverhältnisse von Frauen als Erstes wegfielen.»
Im Vergleich zu anderen Ländern sei die Schweiz indes aufgrund der guten Wirtschaftslage in einer privilegierten Situation. Das helfe auch den Schwächeren im System, zu denen viele Frauen gehörten. Auch weil die Schul- und Kitaschliessungen in der Schweiz nur von kurzer Dauer waren, hielt sich laut Studie der Schaden für Mütter in Grenzen.
Die Widerstandskraft stärken
Wie können wir widerstandsfähiger gegenüber zukünftigen Krisen werden? Eine EFK-Arbeitsgruppe hat aus den Erkenntnissen der Analyse Empfehlungen abgeleitet. Grundsätzlich gelte: «Mit mehr Gleichstellung die Resilienz von Wirtschaft und Gesellschaft stärken.»
Deshalb sei es dringend notwendig, einerseits die gesellschaftliche Position von Frauen generell zu stärken und es andererseits Männern zu ermöglichen, einen grösseren Teil der Haus- und Familienarbeit zu übernehmen. (SDA/lm)