Der Bund will den Wolf in der Schweiz ausrotten. Das zumindest werfen ihm Umweltverbände vor. Tatsächlich will das Umweltdepartement von Albert Rösti (56) die üblichen demokratischen Verfahren abkürzen. Eine ordentliche Vernehmlassung zur neuen Jagdverordnung findet gar nicht erst statt. Die üblichen demokratischen Verfahren werden abgekürzt, die Wolfsregulierung – oder Dezimierung – soll rasch gestartet werden.
Der Entwurf zur neuen Jagdverordnung ist bisher nicht öffentlich. Blick liegt er vor. Das Papier zeigt: Dem Wolf geht es an den Kragen. Der Verordnungsentwurf steht damit im Widerspruch zum Volkswillen. Im September 2020 lehnte die Bevölkerung das neue Jagdgesetz ab: Der Wolfsschutz solle nicht gelockert werden. Das zuständige Bundesamt für Umwelt (Bafu) scheint der Volkswille aber sowenig wie Bundesrat Rösti zu kümmern.
Ein involvierter Regierungsrat spricht gar von einem «Massaker», das sich anbahne. «Es sind halt bald Wahlen.» Der Druck sei immens auf Parlamentarier und den Bundesrat. Darum überbordet man nun, erklärt er.
Finger am Abzug
Am 22. Oktober finden die Eidgenössischen Wahlen statt. Der Druck von Schafshaltern und Viehzüchtern auf die Politik ist riesig: Die Ausbreitung des Wolfs in der Schweiz sei rückgängig zu machen. Bis zu 280 Tiere sollen derzeit in unserem Land in 31 Rudeln leben. Geht es nach den Plänen des Bafu, könnten es bald nur noch etwa zwölf Rudel sein.
Der Wolfsbestand soll gleich um rund 70 Prozent zusammengeschossen werden, ist dem Papier zu entnehmen. Der Entwurf des Bundes verfolgt völlig andere Ziele, als jene der ursprünglichen Revision des Jagdgesetzes. Ein Kritiker klagt: Damals wollte man lediglich eine Kontrolle der Ausbreitung, heute deren Eindämmung.
Fuss auf dem Gas
Statt dass sich die Wölfe in der Schweiz innert der nächsten zwei Jahre etwa auf 500 Tiere verdoppeln, sollen es bald schon weniger als die Hälfte der heutigen Zahl sein. Die Pläne unter Rösti: Feuer frei!
Der Bund hat nicht nur den Finger am Abzug, sondern auch den Fuss auf dem Gas: Die Bestimmungen zur Wolfsjagd sollen im Eilverfahren unter Aushebelung der üblichen demokratischen Gepflogenheiten bereits auf den 1. Dezember in Kraft gesetzt werden. Befristet, doch wenn die Tiere erlegt sind, spielt das faktisch keine Rolle mehr. Albert Rösti kann sich bei seiner Wiederwahl als Bundesrat am 13. Dezember auf besonders viele Stimmen aus den ländlichen Regionen freuen, in denen der Wolf besonders verhasst ist.
Vorgehen löst Irritation aus
«Um grösseren Schaden im Jahr 2024 abzuwenden, ist ein rasches Vorgehen in diesem Winter notwendig», begründet Röstis Departement den Schiessauftrag auf Anfrage. Um weiteres exponentielles Wachstum zu vermeiden, habe das Parlament von einer reaktiven zu einer proaktiven Strategie gewechselt. Heisst: Neu sollen die Kantone Wölfe erlegen dürfen, um künftigen Schaden zu verhüten.
Gerade einmal neun Tage Zeit sollen die Verbände haben, sich zum geplanten Wolfs-Massaker zu äussern. Das löst bei Verbänden und Kantonsbehörden Irritation aus – bei Gegnern wie Befürwortern.
Trotz mehr Wölfen weniger Risse
Für die Umweltverbände ist das Vorgehen des Bundes unverständlich. Schliesslich sei in den letzten Jahren zwar die Zahl der Rudel gewachsen, doch im ersten Halbjahr 2023 ist in den beiden am stärksten betroffenen Bergkantonen Graubünden und Wallis die Zahl der Risse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum dennoch um 55 bis 80 Prozent zurückgegangen, wird argumentiert.
Für die Umweltverbände zeigt das, dass die Anzahl der Risse von Schafen, Ziegen und Rindern eben nicht von der Wolfspopulation, sondern von der Qualität des Herdenschutzes abhängt. Und diese werde laufend verbessert.
Der Wolf bleibt eine geschützte Tierart, beteuert auch das Umweltdepartement. Abschüsse müssten rechtlich korrekt und kontrolliert erfolgen. Ziel ist, den Wolfsbestand in Grenzen zu halten und dafür zu sorgen, dass die Wölfe scheu bleiben. Wenn rund 70 Prozent der Bestände zusammengeschossen werden, dürfte das Ziel tatsächlich erreicht werden.
Und Albert Rösti wird glanzvoll wiedergewählt.