Rund 25 Rudel in der Schweiz
Was mache ich, wenn ich beim Wandern einem Wolf begegne?

Im Frühjahr verlassen junge Wölfe oft ihr Rudel und können auch mal auf einer Wanderroute auftauchen. Fünf Fragen an David Gerke. Der Präsident der Gruppe Wolf Schweiz weiss, wie sich Menschen verhalten müssen, wenn sie auf das scheue Raubtier treffen.
Publiziert: 30.06.2023 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2023 um 15:07 Uhr
Der Wolf war in der Schweiz über 100 Jahre ausgerottet. 1995 wanderten vereinzelte Tiere wieder in die Schweiz, 2012 bildete sich am Calanda-Gebirgsmassiv im Kanton Graubünden das erste Rudel.
Foto: Getty Images/Imagebroker RF
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Valentin RubinRedaktor Service

Wo kann mir ein Wolf begegnen?

Die aktuellen Rudelgebiete von Wölfen in der Schweiz befinden sich gemäss Daten der Gruppe Wolf Schweiz in den Kantonen Graubünden, Tessin, Glarus, Wallis, im St. Galler Oberland und im Waadtland. Insgesamt handelt es sich um gut 240 Wölfe, die in rund 25 Rudeln leben. Da die Tiere teilweise weite Distanzen zurücklegen, kann man ihnen theoretisch in der ganzen Schweiz begegnen. Im Jahr 2021 hielt sich sogar je ein Wolf in den Kantonen Zürich und Baselland auf. David Gerke (38), Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz: «Im Frühjahr verlassen die Jungtiere oft ihr Rudel und werden dann vermehrt an neuen Orten gemeldet.»

Was deutet auf die Präsenz von Wölfen hin?

Ein zuverlässiger Indikator sei Wolfskot, sagt Gerke. «Da Wölfe ihre Beute mitsamt Fell und Knochen fressen, sind in ihren festen Ausscheidungen noch deutlich erkennbare Überreste davon zu finden.» Wie Hunde markieren auch Wölfe ihr Territorium mit ihrem Kot. Im Winter oder in höheren Lagen weisen laut Gerke Spuren im Schnee auf Wölfe hin. «Sie sind oft schwierig zu unterscheiden von Pfotenabdrücken grosser Hunde.»

Wolfskot ist Hundekot sehr ähnlich. Oft sind darin noch Überreste von Fell und Knochen anderer Wildtiere zu sehen.
Foto: zvg

Was muss ich bei einer Begegnung beachten?

«Sieht man einen Wolf auf mehr als 30 Meter Entfernung, muss man nichts Spezielles tun», sagt Gerke. Da die Wildtiere generell scheu sind, entfernen sie sich meist von allein vom Menschen. Betrage die Distanz weniger als 30 Meter, sei es wichtig, den Wolf auf sich aufmerksam zu machen, damit man ihn nicht überrasche oder erschrecke. «Am besten, man behält ihn im Auge, entfernt sich langsam von ihm und redet dabei ruhig, aber bestimmt auf ihn ein.» Ihm dabei permanent in die Augen zu starren, sei nicht ratsam: «Wie bei Hunden ist auch bei Wölfen direkter Augenkontakt ein Drohverhalten.» Sollte sich ein Wolf dem Menschen einmal aktiv nähern, muss man versuchen, ihn zu verscheuchen. «Das ist aber äusserst unwahrscheinlich.»

Jäger, Fischer, Schafhirt und Politiker

David Gerke (38) absolvierte in Wien an der Universität für Bodenkultur ein Studium zum Jagdwirt. Er amtet als Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz und ist Projektleiter Gewässerschutz bei Pro Natura. Seit März 2021 sitzt er für die Grünen im Solothurner Kantonsrat. In den vergangenen 15 Jahren ist er bereits zahlreichen Wölfen im In- und Ausland begegnet – in eine bedrohliche Situation geriet er aber noch nie.

Nathalie Taiana

David Gerke (38) absolvierte in Wien an der Universität für Bodenkultur ein Studium zum Jagdwirt. Er amtet als Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz und ist Projektleiter Gewässerschutz bei Pro Natura. Seit März 2021 sitzt er für die Grünen im Solothurner Kantonsrat. In den vergangenen 15 Jahren ist er bereits zahlreichen Wölfen im In- und Ausland begegnet – in eine bedrohliche Situation geriet er aber noch nie.

Wann ist ein Wolf für den Menschen gefährlich?

Ein Wolf kann für den Menschen gefährlich werden, wenn er Tollwut hat, sagt Gerke. Es sei jedoch ausgeschlossen, in der Schweiz einem infizierten Wolf zu begegnen. «Die Krankheit ist in Westeuropa ausgerottet.» Problematisch werde es, wenn der Wolf zutraulich ist, weil er in Vergangenheit Essen vom Menschen erhalten hat. «Deshalb sollte man Wölfe nicht füttern.» Jungtiere seien oft neugierig und müssten erst noch lernen, vor dem Menschen Respekt zu haben. Gerke: «Denn ein Wolf ohne Respekt vor dem Menschen wird meist entweder überfahren oder irgendwann abgeschossen.»

Dieser ausgestopfte Wolf ist im Zoologischen Museum Zürich ausgestellt. Er wurde 2014 in Schlieren ZH von einem Zug überfahren.
Foto: Keystone

Darf ich in einem Wolfsgebiet mit meinem Hund wandern?

Grundsätzlich sei es kein Problem, wenn man beim Wandern im Wolfsgebiet einen Hund dabei habe, sagt Gerke. «Wichtig ist nur, dass der Hund nah am Halter bleibt, damit man ihn gegebenenfalls schnell zu sich holen kann.» Meist suche ein Wolf aber das Weite, noch bevor er dem Menschen zu nahe komme – «egal, ob dieser mit oder ohne Hund unterwegs ist».

Die meisten Wölfe reagieren scheu auf Hunde und suchen das Weite, bevor es zur Begegnung kommt. Hundehalter müssen sich im Wolfsgebiet also keine Sorgen machen.
Foto: Getty Images
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