Berner Mitte-Gemeinderatskandidatin Béatrice Wertli spricht über ihren Brustkrebs
«Ich denke nur ans Gesundsein»

Als Béatrice Wertli den Termin bei der Ärztin machte, war für sie schon klar. «Ich habe Brustkrebs.» Jetzt ist die Berner Politikerin im zweiten Zyklus der Chemotherapie, arbeitet mit einem Sportcoach und fokussiert auf das Danach.
Publiziert: 19.10.2024 um 10:14 Uhr
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Béatrice Wertli spricht über ihre Brustkrebserkrankung.
Foto: Keystone
Monique Ryser
Monique Ryser
Schweizer Illustrierte

Die rosa Plakate der Vorsorgekampagne für Brustkrebs waren über die ganze Strecke des Berner Frauenlaufs verteilt. Béatrice Wertli (48) rannte an diesem 9. Juni 2024 die zehn Kilometer in hoher Pace (sie rangierte mit 45:19 Minuten auf dem 11. Platz). Doch die ganze Zeit blitzte in ihrem Kopf ein Gedanke auf: «Ich sollte in eine Kontrolle gehen.» Erst vor einem halben Jahr hatte sie ihren Jahrestermin bei der Gynäkologin gehabt. Doch trotzdem…

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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Wertli ist ein Wirbelwind: Die Berner Stadträtin, Gemeinderatskandidatin, Kommunikationsberaterin, ehemalige Direktorin des Schweizerischen Turnverbandes, Mutter zweier Töchter und Ehefrau von Preisüberwacher Stefan Meierhans ist immer in Bewegung. Nichts scheint ihr zu viel. Und nun, einige Tage nach dem Frauenlauf, findet sie einen Knoten in der Brust. «Bei der Frauenärztin holte ich nur noch die Bestätigung ab», erzählt sie. «Ich habe gewusst, dass ich Brustkrebs habe.»

Béatrice Wertli, wie war Ihre Reaktion nach der Diagnose?
Béatrice Wertli:
Ich interessierte mich vor allem für die Prognose und die Therapie, die Diagnose konnte ich ja nicht mehr ändern. Die Frauenärztin sagte mir und meinem Mann, der mich begleitete, dass ich einen hundskommunen Krebs habe, dass er nicht aggressiv sei und nicht schnell wachse. Es brauche jetzt Chemotherapie, und Operation und dann sei es «o mal düre». Diese Aussage, es sei dann auch mal vorbei, hat uns sehr geholfen. Ich formulierte dann mein Ziel in einem Satz: «Ich bewege mich gesund und kräftig im Leben.»

Sie tönen so positiv, gibt es denn keine Hänger?
Es gab nur einen Moment, als mein Mann und ich eine Nacht wach waren. Das war nach der Biopsie. Wir überlegten, wie wir unsere Töchter, 14- und 15-jährig, informieren. Schliesslich hat es sich während des Spiels Stadt, Land, Fluss ergeben. Sophie musste einen Grund für ein Fest nennen und sagte «Cancerfree», das müsse man feiern. Das gab uns quasi eine Vorlage.

Wie haben Ihre Töchter reagiert?
Zuerst sehr erschrocken, dann verständnisvoll, dann zuversichtlich. Kinder «kopieren» ja auch die Gemütslage von uns Eltern. Sind wir traurig und ängstlich, wären sie es auch. Sind wir zuversichtlich und offen, dann sind sie es auch. Es ist ja verrückt: Jede achte Frau ist von Brustkrebs betroffen! Unsere Töchter kennen viele Mütter von Schulgspänli und auch Verwandte, die die Krankheit besiegt haben. Das hat ihnen geholfen. Und das war auch ein Grund dafür, dass ich offen darüber rede.

Sie haben von sich aus informiert?
Ja, weil ich noch im Wahlkampf um den Berner Gemeinderat stehe und es sowieso bekannt geworden wäre. Ich wollte aber selber bestimmen, wie, wann und wo. Sowohl das private Umfeld als auch Arbeitskolleginnen, Partei, Fraktion und die Politik allgemein haben alle so positiv reagiert! Sie haben mir versichert, dass ich jederzeit sagen kann, wenn etwas zu viel ist, behandeln mich aber so wie immer. Das ist es, was ich schätze.

Sie sind heute Morgen schon joggen gegangen, zudem haben Sie einen Sportcoach engagiert.
Mir war wichtig, mich auf das Ziel zu konzentrieren – die Genesung. Die Onkologin hat mir das Kompetenzrad vorgestellt: In einem Kreis notiert man alles, was hilft und stützt. Daneben das, was stresst und Angst macht. Dann reduziert man die Stressoren mit all den Hilfeleistungen, die uns angeboten werden. Mir war wichtig, dass ich körperlich fit bleibe, ich bin und war immer ein sportlicher Mensch. Also habe ich einen Sportcoach engagiert. Er macht mir Wochenpläne, ich habe zwei Trainings pro Tag – Tempoläufe, Intervalltraining, Kraft, Yoga. Es tönt vielleicht komisch, aber eigentlich bin ich jetzt so gut zwäg wie noch nie. Ich bin meinem Körper auch sehr dankbar: Weil er fit ist, hilft mir das, die Chemos gut zu ertragen. Ich habe auch am Race for Life, einer Velotour zur Unterstützung von Krebsbetroffenen, teilgenommen. Dabei wurde ich von Freundinnen und Freunden unterstützt, alle, die ich zum Mitmachen anfragte, sind gekommen! Das war eine sehr schöne Erfahrung.

Ein bisschen runterfahren wäre wohl auch nicht so schlecht, oder?
Ich kann nun mal nicht rumliegen. Ich mache auch meine Achtsamkeitsübungen wie etwa Bodyscan beim Joggen und nicht liegend auf der Yogamatte. Ich habe das Glück, dass Arbeits- und Wohnort Bern sind, sodass ich nicht pendeln muss. Deshalb kann ich immer wieder Pausen machen, nach Hause gehen und mich erholen. Während der abendlichen Stadtratssitzungen gehen die meisten in der Pause nachtessen, ich gehe nach Hause und ruhe mich aus. Also je nachdem: Mit zwei Teenager-Töchtern gehts manchmal auch hoch zu und her (lacht). Die Auszeiten zu Hause tun mir enorm gut, ich kann runterfahren und Energie tanken.

Die eigenen Haare behalten – als Band

Sie war selber betroffen und weiss, wie es ist, wenn die Haare während der Chemotherapie ausfallen: Marcella Colazzo-Amft, 46, führt ein Coiffeurgeschäft in Belp BE und erkrankte 2011 an Brustkrebs. «Perücken sind nicht für alle Frauen und in jedem Moment das Richtige», erklärt sie. Deshalb hat sie mit Keep Your Hair einen Service ins Leben gerufen, bei dem die Haare zu Beginn des Haarausfalls vollständig abgeschnitten und danach an einem Band befestigt werden. «Die Haare werden speziell gereinigt und aussortiert», erklärt sie. Gemäss der ursprünglichen Frisur befestigt sie die Haare an einem Band, das mit einem Cap, einer Mütze oder einem Stirnband kaschiert wird. «Ich möchte den Frauen ermöglichen, den ‹Chemostempel› zu vermeiden.»

Auch Béatrice Wertli liess sich ein Band machen, das sie beim Sport trägt, manchmal gar als Dutt. Colazzo bildet sich laufend weiter und ist Mitglied im deutschen Bundesverband der Zweithaar-Spezialisten. «Mit dem Service möchte ich etwas zum Wohlbefinden in einer schweren Zeit beitragen», sagt sie. «Denn Haare drücken auch Gefühle und Persönlichkeit aus.»

Sie war selber betroffen und weiss, wie es ist, wenn die Haare während der Chemotherapie ausfallen: Marcella Colazzo-Amft, 46, führt ein Coiffeurgeschäft in Belp BE und erkrankte 2011 an Brustkrebs. «Perücken sind nicht für alle Frauen und in jedem Moment das Richtige», erklärt sie. Deshalb hat sie mit Keep Your Hair einen Service ins Leben gerufen, bei dem die Haare zu Beginn des Haarausfalls vollständig abgeschnitten und danach an einem Band befestigt werden. «Die Haare werden speziell gereinigt und aussortiert», erklärt sie. Gemäss der ursprünglichen Frisur befestigt sie die Haare an einem Band, das mit einem Cap, einer Mütze oder einem Stirnband kaschiert wird. «Ich möchte den Frauen ermöglichen, den ‹Chemostempel› zu vermeiden.»

Auch Béatrice Wertli liess sich ein Band machen, das sie beim Sport trägt, manchmal gar als Dutt. Colazzo bildet sich laufend weiter und ist Mitglied im deutschen Bundesverband der Zweithaar-Spezialisten. «Mit dem Service möchte ich etwas zum Wohlbefinden in einer schweren Zeit beitragen», sagt sie. «Denn Haare drücken auch Gefühle und Persönlichkeit aus.»

Sie erhalten viel Unterstützung?
Ja, enorm. Uns selber geht es ja auch so: Ist ein Freund oder eine Freundin in der Krise, möchten wir etwas tun. Meine Erfahrung ist: Wenn ich klar sage, welche Hilfe ich nötig habe oder worum ich froh wäre, dann kommt immer ein Ja. Ich glaube, dass wir das dann auch mit Freude machen, weil wir uns doch im Endeffekt alle etwas «z lieb» tun wollen.

Gibt es konkrete Tipps, die Sie an Betroffene weitergeben möchten?
So banal es tönt: die Dinge anzunehmen, die wir nicht ändern können. Sich dabei unterstützen lassen. Und dann den Fokus auf jene Faktoren legen, wo wir etwas verändern können. In meinem Fall ist es das Weitermachen – im Rahmen des Möglichen: in der Politik, im Beruf, im Sport.

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