Bereitschaft bröckelt
Gastfamilien haben genug von Ukraine-Flüchtlingen

Bei Privaten beginnt die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine zu bröckeln. Einige Kantone setzen mittelfristig eher auf staatliche Lösungen. Bund und Kantone betonen die Notwendigkeit einer zeitnahen Diskussion, auch über die Zukunft des S-Status.
Publiziert: 14.07.2022 um 08:39 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2022 um 10:05 Uhr
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Mehr als die Hälfte der mittlerweile knapp 60'000 Flüchtlinge aus der Ukraine in der Schweiz sind derzeit privat untergebracht. (Symbolbild)
Foto: Keystone

Mehr als die Hälfte der mittlerweile knapp 60'000 Flüchtlinge aus der Ukraine in der Schweiz sind derzeit privat untergebracht. Viele Gastfamilien beherbergen Flüchtlinge schon länger als geplant. Nach Prognosen des Staatssekretariats für Migration (SEM) muss davon ausgegangen werden, dass bis Ende Oktober zwischen 80'000 und 120'000 Ukraine-Flüchtlinge in der Schweiz sein werden.

Einige Kantone seien sich nicht ganz sicher, wie beständig die Unterbringung von Schutzsuchenden bei Privaten über Monate hinweg sei, erklärt die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK).

Immer mehr Flüchtlinge umplatziert

Um Umplatzierungen – und damit oft auch Umschulungen der Kinder- zu vermeiden – würden die Kantone zum Teil eher auf ihre eigenen Strukturen setzen, so die SODK. Das sind Wohnungen oder Kollektivstrukturen wie ehemalige Altersheime oder Jugendherbergen. «Die bisherigen Erfahrungen haben in einigen Kantonen gezeigt, dass die Privatunterbringung sich eher im Sinne einer Übergangslösung gut eignet, mittelfristig aber andere, staatliche Lösungen gefunden werden müssen.»

Eine Umfrage hat ergeben, dass bisher zwischen fünf und zehn Prozent der privat untergebrachten Geflüchteten in kantonale und kommunale Strukturen umplatziert worden sind, wie SODK-Generalsekretärin Gaby Szöllösy der «Neuen Zürcher Zeitung» sagte. Und man gehe davon aus, dass diese Zahlen in nächster Zeit weiter ansteigen werden.

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Man spürt «eine gewisse Unruhe»

In der Stadt Zürich sind von den aktuell rund 2000 Personen mit Schutzstatus S 90 Prozent privat untergebracht, wie die dortigen Behörden ebenfalls am Dienstag informiert hatten. Planungen für die längerfristige Unterbringung liefen, denkbar seien auch Containerdörfer.

In einigen Gastfamilien spüre man «eine gewisse Unruhe», so Jörg Kündig, Präsident des Verbands der Zürcher Gemeindepräsidien, vor den Medien. Auch bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) beobachtet man «Anzeichen von Ermüdung».

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) betont auf Anfrage, die Unterbringung der Schutzsuchenden liege in der Verantwortung der Kantone, dies auch dann, wenn eine private Unterbringung nicht mehr möglich sei. Die grosse Solidarität der Schweizer Bevölkerung sei beeindruckend. «Der Bund dankt den privaten Gastgebern für ihr Engagement.»

Zur Forderung des Kantons Zürich, der Bund müsse vor dem Winter einen Plan für Notunterkünfte ausarbeiten, hält die SODK fest, diese Frage möchte man mit dem Bund näher erörtern. Das SEM koordiniere sich eng mit den anderen betroffenen Bundesstellen sowie Kantonen, Städten und Gemeinden, um diesbezüglich gemeinsame und tragbare Lösungen zu erarbeiten, so das EJPD dazu.

Es verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter (58) den ehemaligen Kommandanten der Kantonspolizei Zürich, Thomas Würgler, mit der Erarbeitung von Szenarien in Bezug auf die Fluchtbewegungen in die Schweiz beauftragt hat. Dies mit dem Ziel, die Planbarkeit für Bund, Kantone, Städte und Gemeinden zu erhöhen.

Kantone wollen wissen, wie es weitergeht

Weiter erinnert das EJPD daran, dass die Kantone ihre Forderungen im Rahmen des regelmässig stattfindenden Austauschgremiums Sonas (Sonderstab Asyl, das politisch-strategische Führungsorgan des Bundes zur Bewältigung von besonderen und ausserordentlichen Lagen im Bereich Asyl und Zuwanderung) einbringen könnten. Dort würden gemeinsame Lösungen erarbeitet.

Weil der Schutzstatus S im März 2023 ausläuft, braucht es nach Ansicht der Zürcher Behörden bis Ende Jahr Klarheit, wie es weitergeht. «Die SODK möchte mit dem Bund die Frage der Weiterführung oder Aufhebung des Status S möglichst rasch vertiefen», heisst es dazu von Seiten der Sozialdirektoren.

Das EJPD hält dazu fest, aktuell erlaubten die fortgesetzten Kriegshandlungen in der Ukraine keine verlässliche Prognose, wann der Schutzstatus aufgehoben und eine Rückkehr der Geflüchteten in die Ukraine gefördert werden könnte. Das SEM verfolgte aber die Entwicklungen in der Ukraine eng. «Sollte sich die Ausgangslage in der Ukraine grundlegend verändern, würden Anpassungen des Schutzstatus in der Schweiz – auch unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf EU-Ebene – möglich.» (SDA)

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