Am 22. September entscheidet das Stimmvolk über die neuste Pensionskassen-Reform. Jetzt startet die heisse Abstimmungsphase ausgerechnet mit einem Zank zwischen den Wirtschaftsverbänden!
Der Arbeitgeberverband und die Mitte-Partei führen die Ja-Kampagne an, die von FDP, SVP und GLP mitgetragen wird. Ebenso weibeln die mächtigen Verbände Hotelleriesuisse, Economiesuisse und Gewerbeverband für ein Ja. Für sie ist klar: Die Reform schliesst Rentenlücken für Teilzeiterwerbstätige und Personen mit tiefen Einkommen. Davon profitieren insbesondere auch viele Frauen.
Das musst du zur BVG-Reform wissen
Gegen die Reform kämpfen Linke und Gewerkschaften. Aber nicht nur.
Dass sich einige bürgerliche Wirtschaftsverbände, darunter Gastrosuisse, gegen die Reform stellen, ist bekannt. Das Nein-Lager im Gewerbe ist aber weiter gewachsen. Die Gegner haben nun eine eigene Nein-Kampagne auf die Beine gestellt. Sie stellen sich somit gegen die grossen Wirtschaftsdachverbände und die zuständige SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60), die sich für ein Ja einsetzen.
Weniger Geld für Metzger befürchtet
Die jetzt anrollende Nein-Kampagne tragen etwa Gastrosuisse, die Verbände der Coiffeusen, der Bäcker-Confiseurmeister, der Fitness- und Gesundheitscenter sowie der Fleisch-Fachverband mit. Sie alle befürchten, dass die Reform nichts Gutes für ihre Branchen bringt.
So würden etwa bei Metzgerinnen und Metzgern, die bei der Vorsorgestiftung Proparis versichert sind, die Lohnbeiträge um 1,8 Prozent steigen. Gleichzeitig müssten zwei Drittel der über 50-Jährigen aber mit einer tieferen Rente als heute rechnen. Das zeigen Berechnungen der Stiftung, die mit ihren Pensionskassen über 70’000 Menschen aus knapp 10’000 Gewerbebetrieben versichert.
SVP-Friedli ist gegen Partei-Parole
Gastronomin und SVP-Ständerätin Esther Friedli (47) war eine der wenigen SVPlerinnen im Parlament, die sich schon damals gegen die Reform ausgesprochen hatte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. «Die BVG-Reform etabliert mit den Rentenzuschlägen eine systemfremde Umverteilung von Geldern in der beruflichen Vorsorge. Das widerspricht dem Zweck der beruflichen Vorsorge», sagt Friedli, die auch im Vorstand von Gastrosuisse sitzt. Die vorgesehenen Rentenzuschläge an die Übergangsgenerationen kosteten über 11 Milliarden Franken, ohne dass dadurch höhere Leistungen im Alter garantiert seien.
Die Reform hätte zwar auch gute Seiten, räumt die SVP-Ständerätin ein. Etwa, dass kleinere Löhne von Teilzeitbeschäftigten besser versichert würden. Das begrüsse sie per se. «Die Rentenzuschläge sind jedoch falsch kalibriert und unfair verteilt. Sie bestrafen jene, die ihr Leben lang ohne Unterbruch in die berufliche Vorsorge einzahlen», kritisiert Friedli, die mit ihrem Mann Toni Brunner (49) den Landgasthof Sonne in Ebnat-Kappel SG führt.
Auch Claude Ammann (56), Präsident des Schweizer Fitness- und Gesundheitscenter-Verbands, setzt sich für ein Nein ein. Es brauche eine Reform der zweiten Säule, doch die vorliegende nennt er einen «Motivationskiller» für Mitarbeitende. «Die BVG-Scheinreform führt zu Ungleichbehandlungen zwischen Versicherten. Einige erhalten einen Zuschlag, der grösser ist als ihr Rentenverlust, während bei anderen der Zuschlag nicht ausreicht, um die Rentenverluste zu decken», so Ammann zu Blick.
Kampagnen laufen an
Die neue Nein-Kampagne, die ein geschlachtetes Sparschwein zeigt, werde vor allem online zu sehen sein, sagt Friedli. Man könne nicht auf ein Budget wie die grossen Verbände zurückgreifen, aber man hoffe auf ein «paar Hunderttausend Franken». Ob das reicht, um gegen die mächtigen Wirtschaftsdachverbände anzukommen?
Wie gut gefüllt deren Kampagnenkasse ist, wird sich bald zeigen. Diese Woche müssen die Lager dem Bund ihre Budgets offenlegen, spätestens in drei Wochen werden diese veröffentlicht. Der Verband für KMU und Grossfirmen der Schweizer Tech-Industrie, Swissmem, machte bereits transparent, dass er für die Ja-Kampagne 157'000 Franken bereitstellen will. Für die Abstimmung über die 13. AHV vergangenen März hatten die Wirtschaftsverbände rund vier Millionen Franken ausgegeben.