Yvonne Gilli (65), Präsidentin der Ärztevereinigung FMH, verschafft ihrem Ärger Luft. Mit Misstrauen beobachten die Schweizer Ärzte, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wächst und wächst und wächst. Mittlerweile beschäftigt es schon über 700 Spezialistinnen und Spezialisten. Problem Nummer eins: Diese Fachkräfte fehlen dann in Spitälern und Praxen.
Problem Nummer zwei: Die neuen Beamten müssten sich irgendwie selber beschäftigen – und nicht nur sie. «Sie produzieren Gesetze, Studien oder Empfehlungen. Und beschäftigen damit wiederum andere Akteure», wird Gilli in der «NZZ» zitiert. Verbände wie die FMH müssten einen riesigen Aufwand betreiben, um auf diesen Ausstoss reagieren zu können. «Und das oft ohne erkennbaren Mehrwert.»
BAG kaum Erfahrung in Patientenversorgung
Als Beispiel nennt Gilli etwa die beiden Kostendämpfungspakete von Gesundheitsminister Alain Berset (50) sowie den indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative der Mitte. Aber schon nur auch im Bereich Krankenversicherung sind rund 20 Projekte hängig. Für jedes müssten Fachleute Gesetzestexte, Berichte und Vernehmlassungsantworten verfassen – Hunderte von Seiten. Diese müssten dann wieder von Berufsverbänden, Patientenorganisationen oder Krankenkassen überprüft werden. Und oft bleibe das alles ohne Wirkung.
Oft würden die Ärzteschaft und die Spitäler die Reformen dezidiert ablehnen, Bundesrat Berset aber verfolge sie trotzdem weiter, was für viel Frust sorge. Auch wegen solcher «Alibiübungen» stelle Gilli eine «zunehmende Entfremdung der Bundes- von der übrigen Arbeitswelt» fest. Die Ärzteschaft sei immer mehr mit Gesetzesentwürfen konfrontiert, deren Verfasser offensichtlich keinerlei Erfahrung in der Patientenversorgung hätten.
BAG weist auf Parlament hin
Das BAG will für diese Entwicklung zumindest nicht alleine verantwortlich sein. So weist das Bundesamt auf den Aktivismus des Parlaments hin. Die Gesundheitspolitik stehe im Fokus vieler Parlamentarierinnen und Parlamentarier, wird Sprecherin Katrin Holenstein in der «NZZ» zitiert.
Das BAG stehe mit allen Beteiligten in ständigem Austausch. Nicht immer aber könne dabei auf alle Wünsche Rücksicht genommen werden. Grundsätzlich aber verfolgten alle dasselbe Ziel: ein qualitativ hochstehendes Gesundheitssystem, zu dem alle Bewohner gleichen Zugang hätten und das bezahlbar bleibe. (dba)