Ein Zertifikat soll es richten
Die Schweizer vertrauen Dr. Google nicht

Eine neue Studie zeigt, dass Schweizer Gesundheitsinformationen im Internet wenig Vertrauen schenken. Doch die Nutzung ist hoch. Die guten Informationen sollen deshalb durch ein Zertifikat vertrauenswürdiger werden.
Publiziert: 07.12.2022 um 14:32 Uhr
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Aktualisiert: 07.12.2022 um 14:43 Uhr
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40 Prozent der Schweizer informieren sich bei Schmerzen oder Symptomen im Internet. Doch Vertrauen schenken sie den gefundenen Informationen nicht.
Foto: Getty Images
Thomas Müller

Ein bisschen Kopfweh und Juckreiz. Woran könnte das liegen? Man googelt drauflos. Stellt sich heraus: Die Beulenpest muss es sein! Solche Anekdoten hört man regelmässig – auch von Ärzten. Zum Glück ist die tatsächliche Diagnose meist deutlich harmloser.

Das zeigt: Gesundheitsinformationen im Internet haben ihre Tücken – und darum auch nicht den besten Ruf. Weniger als ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer vertraut denn auch den Informationen, die Dr. Google ihnen gibt. Das hat eine Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag der Sanitas-Stiftung ergeben, die Blick exklusiv vorliegt.

«Das Thema wird vernachlässigt»

Befragt wird Dr. Google dennoch häufig. Vier von zehn Menschen, die Schmerzen haben oder sich sonst nicht gesund fühlen, beschaffen sich eine erste Einschätzung online und 80 Prozent nutzen digitale Angebote wie Gesundheitsfachwebsites zumindest gelegentlich.

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Für Felix Gutzwiller (74), Präsident der Sanitas-Stiftung und ehemals Professor für Medizin an der Universität Zürich, ist klar: In Zukunft werden digitale Informationsmöglichkeiten auch im Gesundheitswesen immer wichtiger. «Doch bisher wird das Thema ziemlich vernachlässigt», moniert der ehemalige Zürcher FDP-Ständerat. Mit der Studie wolle man denn auch die öffentliche Debatte darüber anstossen.

Ärzte geniessen hohes Vertrauen

Zwei Drittel der Befragten geben an, die Gesundheitsinformationen gut zu verstehen. Aber beim Vertrauen hapert es. Ärzten hingegen vertrauen laut der Studie über 91 Prozent der Befragten. Auch im Verständnis übertrumpfen die Schulmediziner das Internet: Neun von zehn Menschen geben an, die Informationen der Ärzte gut zu verstehen. Die Verständlichkeit ist wichtig: Wer die Ausführungen seiner Ärztin «sehr gut» versteht, vertraut ihr mit 97-prozentiger Wahrscheinlichkeit.

Aber selbst von jenen, die angeben, den Arzt eher schlecht zu verstehen, vertrauen ihm noch mehr als die Hälfte. Nicht so beim Internet: Wer dort die Informationen nicht versteht, vertraut ihnen fast nie.

Zertifikat könnte Vertrauen schaffen

«Die guten Informationen auf Fachwebsites müssen vertrauenswürdiger werden», fordert Gutzwiller daher. Und er hat auch eine Idee, wie das passieren soll: Ein Zertifikat muss her! Gutzwiller verweist auf die USA, wo die zuständige Behörde Food and Drug Administration eine Zertifizierung von Websites eingeführt hat. Das wäre, findet er, auch in der Schweiz eine Möglichkeit. Es muss kein staatlicher Stempel sein: eine Möglichkeit wären auch private Labels oder ein offizieller Wegweiser.

Für Gutzwiller ist zentral, dass für den einzelnen Nutzer sichtbar ist, ob die Informationen brauchbar und sinnvoll sind und ob ein kommerzieller Hintergrund vorliegt. Nur dann könnten die Websites einen wichtigen Beitrag zur Selbsthilfe leisten.

Auch Ärzte sind für Zertifikat

Dem schliessen sich auch die Ärzte an. Oft sei nicht klar, wer hinter den Informationen stecke, welche Interessen verfolgt würden und ob die Information überhaupt stimme, sagt Yvonne Gilli (65), Präsidentin des Ärzteverbandes FMH. Dass die Bevölkerung gegenüber Gesundheitsinformationen aus dem Internet Zurückhaltung zeigt, ist für Gilli «ein Zeichen von Gesundheitskompetenz». Ein Zertifikat für Gesundheitsinformationen, wie es Gutzwiller vorschlägt, würde der Verband sehr befürworten.

Verteufeln will sie die Gesundheitswebsites aber nicht. «Digitale Information ergänzen heute das ärztliche Gespräch.» Sie selbst habe als Ärztin immer wieder auf zusätzliche zuverlässige Informationsquellen im Internet hingewiesen oder auch Anleitungen, zum Beispiel anhand von Youtube-Filmen, weitergegeben. Das habe die Kompetenz der Patientinnen gestärkt.

Wichtig sei, dass belastende Informationen – etwa eine ernste Diagnose – nie zur Verfügung gestellt werden, ohne zeitnah ein Gespräch mit einer Fachperson anzubieten.

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