Big Pharma will Big Data
Doch Daten gibt es nur gegen Vorteile

Pharmafirmen machen immer mehr Druck, um an Gesundheitsdaten zu kommen. Auf der anderen Seite steigt die Bereitschaft der Patienten, Daten zu teilen. Nur hat die Sache einen Haken.
Publiziert: 20.04.2022 um 08:07 Uhr
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Aktualisiert: 20.04.2022 um 15:38 Uhr
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Das Faxgerät ist zum Symbolbild der zögerlichen Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen geworden.
Foto: Shutterstock

Wer gerne Witze darüber macht, wie altmodisch unsere Beamtenstuben sind, der holt die Geschichte des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und den Faxgeräte hervor. Denn dass während der Pandemie die Corona-Meldungen per Fax beim Bund eintrafen, sorgte immer wieder für Häme.

«Das Schweizer Gesundheitswesen ist immer noch im Fax-Zeitalter», kritisierte etwa Roche-Chef Severin Schwan (54) kürzlich im «Tagesanzeiger». Er spielte damit nicht nur aufs BAG an. Anonymisierte Gesundheitsdaten sind für Pharmafirmen Gold wert – und laut Schwan gar zusehends Voraussetzung für die Forschung. Bekäme man diese nicht in ausreichendem Mass, müssten die Pharma-Konzerne ihre Forschungsabteilungen früher oder später in die Vereinigten Staaten oder China verlegen, warnte er.

Big Pharma will Big Data

Her mit den Daten oder wir gehen? So schweres Geschütz wie Schwan fahren die wenigsten auf. Doch dass Big Pharma auch Big Data will, ist kein Geheimnis. Bereits vergangenen Herbst hat der Verband Interpharma gefordert, dass Datenspenden das neue Blutspenden werden soll – als selbstloser Akt für die Gesellschaft.

Tatsächlich wären 55 Prozent der Bevölkerung bereit, Daten wie etwa den Blutdruck oder die Blutwerte mit der Forschung zu teilen. Das zeigt eine Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo. Wenn es medizinische Spezialisten oder der eigene Hausarzt sind, die Einblick in die Daten bekommen, steigt der Wert auf 70 Prozent und mehr.

Forschung ja, Datenspenden naja

Seit fünf Jahren führt das Institut im Auftrag der Krankenkasse Sanitas ein Monitoring zum Thema Datengesellschaft und Solidarität durch und kann dadurch auch längerfristige Trends erkennen. «Im Zug der Corona-Pandemie ist der Anteil jener, die ihre Daten teilen würden, deutlich gestiegen», sagt Gordon Bühler, der die Studie gemeinsam mit Geschäftsführer Michael Herrmann durchgeführt hat. Vermutlich habe Corona und die Diskussion um die Entwicklung der Impfstoffe dazu beigetragen.

Was allerdings auffällt: Drei Viertel der über Tausend Befragten finden es gut, wenn mit Gesundheitsdaten zum Beispiel personalisierte Medikamente entwickelt werden. Die eigenen Daten beisteuern – darauf hingegen hat knapp die Hälfte keine Lust.

«Die Bereitschaft, Daten zu teilen, steigt dann, wenn man selbst etwas davon hat», sagt Bühler. Am deutlichsten zeigt sich das etwa bei den Krankenkassen. Hier ist das Misstrauen nämlich gross, grundsätzlich ist nur etwa jeder fünfte gewillt, Daten wie etwa zu Blutdruck oder Sauerstoffmessungen mit der Versicherung zu teilen. Das Bild ändert sich aber drastisch, wenn Vorteile winken: Im Gegenzug zu einer Prämienverbilligung schnellt der Anteil der Daten-Spendewilligen auf 46 Prozent hoch.

Entscheidend ist laut Studie ausserdem das Vertrauen in jene, die diese Daten dann auch anschauen können. Ausschlaggebende Faktoren sind Datenschutz und Transparenz.

Schlaf, Schritte oder Zyklus messen

Immer beliebter werden ausserdem Apps, mit denen man Schritte zählen, sein Tempo messen oder den Puls anzeigen kann. Zeichneten vor zwei Jahren nur neun Prozent den eigenen Schlaf per App auf, ist es inzwischen jeder siebte, also rund 15 Prozent. Und jede zweite Frau unter 35 etwa behält den eigenen Menstruationszyklus per Smartphone im Blick.

Just jener Datenschutz und jene Transparenz, die aber so entscheidend dafür sind, ob man Daten mit der Forschung teilen will, ist bei diesen Apps aber selten gegeben. Vor einigen Jahren kam etwa heraus, dass zwei Drittel der Menstruations-Apps die Daten direkt an Facebook weitergaben.

«Dieser Widerspruch ist typisch», sagt Studienautor Bühler. «Wir vermuten, dass sich die Bevölkerung schlicht auch daran gewöhnt hat. Man weiss inzwischen, dass diese Apps Daten absaugen, und nimmt das für die Benutzung in Kauf.»


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