Aromat und Maggi haben in der Küche einer guten Bäuerin nichts zu suchen. Auch Maizena Express ist in der Schulküche des Landwirtschaftlichen Zentrums in Salez SG tabu. Darum lernen die zwölf Schülerinnen heute den «nassen Einlauf». Eine Bezeichnung, die für Schmunzler sorgt. Die Lehrerin klärt auf: Gemeint ist das Abbinden von Saucen und Cremen durch Maisstärke, die vorher in kalter Flüssigkeit aufgelöst wird.
Der Kochunterricht gehört zu einem von neun Pflichtmodulen an der Bäuerinnenschule. 16 dieser Ausbildungsstätten gibt es in der Schweiz. Sie sind beliebter denn je. In Salez im St. Galler Rheintal wird derzeit erstmals seit langem ein Jahrgang in zwei Klassen unterrichtet, weil sich so viele Frauen angemeldet haben. Einige hätten sogar auf nächstes Jahr vertröstet werden müssen, sagt Ausbildungsleiterin Seline Heim (58).
Auch Bäuerinnenschulen in anderen Regionen berichten von einer steigenden Nachfrage. Und das in einer Zeit, in der jede Woche im Schnitt knapp zehn Bauernhöfe dichtmachen und die hohe Suizidrate unter Landwirten für Schlagzeilen sorgt. Wie kommt das?
Fürs Leben lernen
Marina Ulrich (32) ist eine der Frauen, die Bäuerin mit eidgenössischem Fachausweis werden will. Obwohl sie gar keinen Bezug zur Landwirtschaft hat. Die dreifache Mutter aus Oberegg AI stammt, anders als die Mehrheit ihrer Schulkolleginnen, nicht aus einer Bauernfamilie und ist auch nicht mit einem Landwirt verheiratet. Das Einzige, was sie mit der Landwirtschaft verbindet, ist das Bauernhaus, in dem sie mit ihrem Mann und den drei Kindern lebt. Dazu kommen vier Schafe, drei Ziegen, eine Katze und ein Hund.
«Ich weiss gar nicht, was ich mit dem Abschluss anfangen will», sagt Ulrich. Seit zwölf Jahren arbeitet die gelernte Plattenlegerin in derselben Firma im Verkauf, derzeit im 30-Prozent-Pensum. Auf der Suche nach etwas Neuem stiess sie auf die Bäuerinnenschule. «Ich sagte mir: Warum nicht? Hier lerne ich was fürs Leben.»
Männer sind Mangelware
Für ein Leben, das noch immer auf einem sehr traditionellen Rollenverständnis beruht. Bäuerin – das ist nicht etwa das weibliche Pendant zum Landwirt, sondern ein eigener Berufszweig. Nebst betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen lernen die Frauen vor allem putzen, kochen, den Haushalt führen sowie Gemüse anpflanzen und weiterverarbeiten. Das, was eine Frau, so offenbar noch immer die vorherrschende Vorstellung, mitbringen sollte für das Leben an der Seite eines Landwirts. Wer das Diplom macht, bekommt die Hälfte der Ausbildungskosten vom Bund rückerstattet.
Während es immer mehr Frauen gibt, die eine Lehre als Landwirtin machen, sind Männer an den Bäuerinnenschulen noch die absolute Ausnahme. Für sie wurde die Berufsbezeichnung bäuerlicher Haushaltsleiter erfunden. Frauen bleiben aber weiterhin Bäuerinnen.
«Mir gefällt dieses Rollenbild»
Die Ausbildung ist aufgrund ihrer Fokussierung auf den Haushalt umstritten. Sie zementiere ein Frauenbild, von dem man eigentlich loszukommen versuche, kritisieren manche. Marina Ulrich aber hat damit kein Problem. «Mir gefällt dieses Rollenbild», sagt sie.
Dass es vielen ihrer Mitschülerinnen ähnlich geht, zeigt sich während des Kochunterrichts. In Salez steht nach der Saucenbinde-Übung das Kochen des Mittagessens an. Jede Schülerin bereitet ein anderes Gericht zu. Auf dem Menüplan stehen unter anderem Chabissalat, Bouillon mit Siedfleisch, Saftplätzli, Fenchel und Süssmostcreme. «Wir lernen halt eher Währschaftes, weil unsere Männer Energie für ihre Arbeit brauchen», meinte eine junge Frau. Die angehenden Bäuerinnen, das wird deutlich, verstehen ihre Aufgabe primär darin, dem Mann unterstützend zur Seite zu stehen.
Traditionelle Rollenbilder sind in der Landwirtschaft nach wie vor stark verankert. Frauen auf Bauernhöfen sehen ihre Rolle primär als Hausfrauen und Mütter. Das hat auch eine Studie des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) ergeben, die vor kurzem veröffentlicht wurde.
Doch die Studie zeigt auch: Die Frauen übernehmen immer mehr Verantwortung. Über ein Drittel der befragten Frauen sind Eigentümerinnen oder Miteigentümerinnen des Betriebs. Am höchsten ist der Anteil Alleineigentümerinnen mit 31 Prozent bei den unter 35-Jährigen. Knapp die Hälfte der jungen Frauen gibt an, dass sie mit ihrer Arbeit mehr als 50 Prozent zum Haushaltseinkommen beitragen. Mit Abstand am häufigsten sind Frauen für die Direktvermarktung zuständig, also beispielsweise den Betrieb eines Hofladens.
Auch in Sachen sozialer Absicherung hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Der Anteil Frauen mit einer beruflichen Vorsorge hat sich innert zehn Jahren mehr als verdoppelt. Auch haben mehr als die Hälfte der Bäuerinnen inzwischen eine dritte Säule.
Traditionelle Rollenbilder sind in der Landwirtschaft nach wie vor stark verankert. Frauen auf Bauernhöfen sehen ihre Rolle primär als Hausfrauen und Mütter. Das hat auch eine Studie des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) ergeben, die vor kurzem veröffentlicht wurde.
Doch die Studie zeigt auch: Die Frauen übernehmen immer mehr Verantwortung. Über ein Drittel der befragten Frauen sind Eigentümerinnen oder Miteigentümerinnen des Betriebs. Am höchsten ist der Anteil Alleineigentümerinnen mit 31 Prozent bei den unter 35-Jährigen. Knapp die Hälfte der jungen Frauen gibt an, dass sie mit ihrer Arbeit mehr als 50 Prozent zum Haushaltseinkommen beitragen. Mit Abstand am häufigsten sind Frauen für die Direktvermarktung zuständig, also beispielsweise den Betrieb eines Hofladens.
Auch in Sachen sozialer Absicherung hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Der Anteil Frauen mit einer beruflichen Vorsorge hat sich innert zehn Jahren mehr als verdoppelt. Auch haben mehr als die Hälfte der Bäuerinnen inzwischen eine dritte Säule.
Corona als Treiber
Der Boom der Bäuerinnenschulen ist aber auch Zeichen der Emanzipation der Bauernfrauen. «Viele wollen den Abschluss machen, weil sie dann berechtigt sind, Direktzahlungen zu beziehen», sagt Jeanette Zürcher-Egloff (58) vom Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband SBLV. Der Fachausweis gibt den Frauen Sicherheit, sollte ihrem Mann oder ihrer Beziehung etwas passieren. Oder er ermöglicht, als nächste Generation den Familienbetrieb zu übernehmen.
Mehr über Bäuerinnen und Bauern
Der Wunsch nach mehr Sicherheit trägt auch in anderer Hinsicht zur Beliebtheit der Ausbildung bei. Die Schulen nennen die Corona-Krise als Popularitätstreiber, die drohende Energiekrise dürfte denselben Effekt haben. «Man besinnt sich wieder auf seine Wurzeln zurück», sagt Ausbildungsleiterin Heim. Sie bekomme viele Anfragen, wie man Lebensmittel einmachen könne.
Kritik am Stundenplan
Auch Marina Ulrich gibt die Ausbildung Sicherheit: «Vielleicht bin ich mal froh, wenn ich weiss, wie ich einen Garten anlege.» Den Zmittag, den sie zubereitet hat, wird sie hingegen kaum zu Hause nachkochen. Ulrich war für das Vegigericht zuständig: Linseneintopf mit Tomaten, Peperoni und Zimt. «Das Rezept stammt wohl von einer Schwangeren», kommentiert die junge Mutter die exotische Zutaten-Kombination.
Inzwischen ist der Eintopf im Ofen, auf einem der Herde köchelt die Bouillon vor sich hin. Während sich einige Schülerinnen noch ums Dessert kümmern, wartet Irene Rupf (37), bis ihr Fenchel gar ist.
Lieber als in der Küche würde die Bäuerin jetzt am Pult sitzen. Auch Rupf ist hier, weil sie ihren Mann auf dem Hof noch mehr unterstützen will – doch ein «nasser Einlauf» bringt die gelernte Kauffrau da nicht wirklich weiter. Sie wolle besser drauskommen bei all dem Papierkram, den es als Bauer und Bäuerin zu erledigen gilt, erzählt sie. Buchhaltung und Recht umfassen allerdings je nur 40 beziehungsweise 48 Lektionen – allein das Modul Reinigungstechnik und Textilpflege hingegen 64. «Da stimmt das Verhältnis einfach nicht», kritisiert Rupf. Ausserdem wünsche sie sich, mehr «richtiges» Bauern zu lernen, Ackerbau zum Beispiel.
Bund sieht Handlungsbedarf
Wünsche, mit denen die Bäuerin nicht allein dasteht. Auch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat Handlungsbedarf erkannt. Die Ausbildungen sollen weiterentwickelt werden, kündigte BLW-Chef Christian Hofer (49) an. Bäuerinnen sollen mehr das lernen, was Bauern lernen – und umgekehrt. Auch die Berufsbezeichnungen dürften noch zu reden geben.
Etwas wird sich derweil wohl nicht so rasch ändern: Aromat, Maggi und Maizena Express werden in der Schulküche tabu bleiben. Für Frauen wie für Männer. Da gehts ums Prinzip.