«Müssten bis zu 100'000 Franken investieren»
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Bauer Muff fürchtet Klagen:«Müssten bis zu 100'000 Franken investieren»

Geruchsbelästigung durch Schweineställe
Diese Landwirte haben die Lösung gegen Gestank-Stunk

Drinnen oder draussen? Das entscheiden die Schweine auf dem Hof von Christian Muff selber. Doch wird das Gesetz nicht angepasst, dann müssen sie für immer rein. Die Investitionen ins Tierwohl sind dann für die Katz. Nun liegt eine Lösung auf dem Tisch.
Publiziert: 24.10.2022 um 01:09 Uhr
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Der Schweinestall steht in Schongau in Luzern.
Foto: Siggi Bucher
Thomas Müller (Text) und Siggi Bucher (Fotos)

Die Luft ist kühl und frisch, von den Schweinen riecht man nichts. Im Sommer sei das anders, sagt Markus Kretz (46), als Blick den Hof besucht. Wenn der Wind talabwärts blase, trage er den Geruch bis ins Dorf.

Schongau heisst die kleine Gemeinde am Rand von Luzern. Hier bewirtschaften Markus Kretz und Christian Muff (42) zusammen einen Hof. Kretz hält Kühe, Muff kümmert sich um die Schweinezucht. Der Schweinestall steht etwas ausserhalb des Dorfs in einem Weiler, einer kleinen Ansammlung von Häusern.

Selbstständig rein und raus

Gut Hundert Muttersauen mit Ferkeln, Jungsauen und ein Eber haben hier ihr Zuhause. Sie können selbständig rein und raus in den überdachten Innenhof. Mit ihrer Schnauze stossen die Tiere einfach das Türchen in der Stallwand auf. Im Moment sind sie wegen des kalten Wetters aber lieber drinnen.

Mit ihren Schweinen sind Muff und Kretz gut vertraut. Betreten sie den Stall, kommen die Tiere gleich zu ihnen, knabbern an den Kleidern und lassen sich streicheln. «Manchmal komme ich auch am Abend in den Finken noch schnell in den Stall, um nach dem Rechten zu sehen», sagt Muff.

Beschwerde-Gefahr steigt mit Zuzügern

Obwohl man die Schweine draussen nur selten riecht: Würde jemand aus der Nachbarschaft gegen den Betrieb Beschwerde einreichen, weil ihn der Geruch stört, hätten die Landwirte ein Problem. Sie müssten mit einem Gutachten beweisen, dass man ihre Schweine nicht übermässig riechen kann. Laut Kretz ein Ding der Unmöglichkeit.

Und das Dorf wächst – am oberen Rand stehen schon neue Einfamilienhäuser. Neue Leute ziehen her, die nicht mit der Landwirtschaft aufgewachsen sind. Mit jedem Zuzug steigt die Gefahr einer Beschwerde.

Kommt die Beschwerde, ist fertig Auslauf

Flattert dereinst eine solche ins Haus, wäre es vorbei mit dem Auslauf für die Säuli. Alle Fenster müssten verriegelt werden, die Türen geschlossen. Und für etwa 100’000 Franken müsste eine Belüftungsanlage her. Alle Investitionen ins Tierwohl, die in den letzten Jahren gemacht wurden: für die Katz.

Zum Glück verstehen die Bauern sich gut mit den Nachbarn. Wer bereits um den Hof wohnt, ist in der Landwirtschaft verwurzelt. So etwa Raphael Stutz (33). Er ist kein Landwirt, aber im Moment schaut er zu den Kälbern von Kretz. Ihn stört nicht, wenn er die Schweine ab und zu riecht. «Das gehört zum Landleben.»

Viele Höfe betroffen

Doch die Gefahr bleibt. In Meggen LU musste wegen einer Beschwerde ein Stall dicht machen. Und bald könnte es Beschwerden hageln, denn Weilerzonen werden landesweit abgeschafft. Bis jetzt liegt der Hof von Kretz und Muff in einer solchen. Diese Sonderzone bewahrt den Weiler, aber verhindert neue Nachbarn und so auch Beschwerden.

Es geht aber nicht nur um den Hof von Kretz und Muff. Allein im Weiler Niederschongau wären vier Höfe betroffen. Im ganzen Kanton dürften es noch viele mehr sein. Denn Luzern sei der Kanton der Schweine. «Jede dritte Sau lebt in Luzern», sagt Kretz.

Streitpunkt Umzonung

Das Ende der Weilerzone in Niederschongau bedroht den nachbarschaftlichen Frieden. Das Gebiet muss von den Stimmberechtigten entweder zu einer Dorfzone oder zur Landwirtschaftszone erklärt werden. Wird eine Dorfzone beschlossen, steigt die Gefahr einer Geruchsbeschwerde. Bei einer Landwirtschaftszone haben wiederum die Anwohner das Nachsehen – dann dürfen die bestehenden Bauten zwar saniert werden, An- oder Neubauten wären verboten.

«Eine Dorfzone wollen wir nicht verhindern», meint Kretz. Aber: «Mit den aktuellen Regeln gibt es nur Schwarz oder Weiss. Werden Wohnungen vermietet oder verkauft, kommen mehr Leute und mit jeder Person steigt die Gefahr, dass sich jemand beschwert.»

Aktuell muss am Ende eine Seite verlieren. Selbst wenn man sich vertraglich einigt, dass der Geruch einfach dazugehört – öffentliches Recht kann nicht ausser Kraft gesetzt werden. Konflikte sind vorprogrammiert.

Der Kompromiss

Das wollen die Landwirte verhindern. An Muffs Tisch – Schweine sind auch hier dabei, aber nur aus Plastik und Porzellan – präsentieren sie ihre Lösung: «Es braucht eine Geruchsüberlagerungszone», erklärt Kretz, der auch Präsident des Luzerner Bauernverbandes ist, und breitet Pläne und Tabellen aus.

Angelehnt ist seine Idee an den Lärmüberlagerungszonen: Baut jemand in der Nähe einer Autobahn oder ähnlichen Lärmquellen, die bereits da waren, dann muss er den Lärm akzeptieren. «Dasselbe möchten wir ins Umweltschutzgesetz für Gerüche einführen», so Kretz. Dann könne sich die Gemeinde weiterentwickeln und die Tierhaltungsbetriebe trotzdem schützen.

Hoffen auf die Politik

Tierschützer und Bauern haben nicht immer den besten Draht zueinander, doch hier sind sie sich einig. Die Stiftung Tier im Recht moniert: Das Tierwohl werde heute im Umweltschutzgesetz «gänzlich aussen vor gelassen».

Die Idee von Kretz hat es nach Bern geschafft: Der Luzerner Nationalrat Leo Müller (64, FDP) hat einen Vorstoss in der grossen Kammer eingereicht, Ständerat Jakob Stark (64, SVP) im Stöckli. Jetzt hoffen Bauern, Anwohner und die Säuli auf die Politik.

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