«Da wusste ich: Die SP ist toll!»
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Bundesratskandidatin Herzog:«Da wusste ich: Die SP ist toll!»

Ausufernde Kosten, Kritik an der Aufsicht, umstrittene Deals
Das Sündenregister der Eva Herzog

Die SP-Bundesratskandidatin stand als Regierungsrätin mit diversen Finanzaffären in Verbindung – doch nichts bleibt an ihr hängen. Das ist typisch Basel. Eine gemeinsame Recherche von SonntagsBlick und dem Onlinemagazin Bajour.
Publiziert: 04.12.2022 um 00:39 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2022 um 16:34 Uhr
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SP-Ständerätin Eva Herzog hat beste Chancen, am 7. Dezember in den Bundesrat gewählt zu werden.
Foto: STEFAN BOHRER
Andrea Fopp und Reza Rafi

Eine neue Lichtgestalt erhellt die Schweiz: Eva Herzog (60), die Kandidatin für die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62). Die Baslerin arbeite «akribisch», sind sich die Medien einig; «dossierfest und sehr beliebt» sei die SP-Ständerätin, schwärmt SRF. Die «NZZ» lobt ihre «Finanzkompetenz», die «BZ Basel» ihre Fähigkeit, Kompromisse zu schmieden.

Die Erzählung von der beflissenen Saniererin der Kantonsfinanzen hat sich in Windeseile festgesetzt.

Herzogin Eva, die Unfehlbare? Nach kritischen Stimmen sucht man in der Öffentlichkeit lange. In Basel plant man lieber die grosse Feier mit Fasnachtscliquen und Laternen für den ziemlich wahrscheinlichen Fall, dass die Pharmastadt am 7. Dezember zum ersten Mal seit fast 50 Jahren wieder im Bundesrat vertreten sein wird.

Nichts soll die Party stören. Dabei war Herzogs Regierungszeit keineswegs so aalglatt, wie die Schalmeienklänge vermuten lassen, im Gegenteil: Wenn mal wieder eine Affäre um ausufernde Finanzen den Kanton erschütterte, sass sie mit im Boot.

Baudebakel um Biozentrum

Da ist etwa das Baudebakel um das Biozentrum der Uni Basel: Im Herbst 2021 eröffnete die Universität ihr neues Laborhochhaus – vier Jahre zu spät und rund 100 Millionen Franken teurer als die bewilligten 328 Millionen Franken. Bauherren waren die beiden Halbkantone Stadt und Landschaft.

Das Basler Parlament liess den Fall durch eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) durchleuchten. Ihr Fazit ist vernichtend: Hauptursachen für Verzögerung und Mehrkosten seien «eine ungenügende Planung und eine ungenügende Wahrnehmung der Aufsichts- und Sorgfaltspflichten der verantwortlichen Gremien», heisst es im Bericht vom 24. August dieses Jahres.

Dem Lenkungsausschuss, dem strategischen Entscheidungsorgan des Biozentrums, gehörten unter anderen der damalige Baudirektor Hans-Peter Wessels (60) an sowie Ex-Erziehungsdirektor Christoph Eymann (71) als Leiter des Aufsichtsgremiums und ab 2017 sein Nachfolger Conradin Cramer (43, LDP).

PUK tadelt Herzog

Eine «hervorgehobene Verantwortung» weist die PUK auch Herzog zu. Sie sass von 2009 bis 2013 als Finanzdirektorin im Lenkungsausschuss. Zu der Zeit, als die Planung des Projekts erfolgte.

Auch die Finanzierung der Mehrkosten löste Kritik aus. Denn irgendwoher mussten die zusätzlichen 100 Millionen Franken kommen. Die Leitung dieser «Partnerschaftsverhandlungen» oblag Säckelmeisterin Herzog und ihrem Baselbieter Amtskollegen.

Deren Lösung sei «nicht korrekt» gewesen, tadelt die PUK. Denn Herzog und ihre Verbündeten hätten laut dem Untersuchungsgremium die Uni um eine Vorfinanzierung gebeten und damit versucht, den Geldfluss am Parlament vorbeizuschleusen. Der Universitätsrat macht mit. Dessen damaliger Präsident Ueli Vischer spricht heute von einer «Sauerei».

Recherche-Hinweise

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Gegenüber SonntagsBlick und dem Basler Onlinemagazin «Bajour» betont Herzog, dass der Lenkungsausschuss «unsere Sorgfalts- und Aufsichtspflicht nach bestem Wissen und Gewissen wahrgenommen» habe. «Als wir die Probleme erkannten, haben wir sogleich reagiert.» Und die Finanzierung sei «konform gemäss Finanzhaushaltsgesetz» abgelaufen.

Wirren um Messe Schweiz

Anderes Beispiel: Die Wirren rund um die Messe Schweiz, einst der Stolz der Handelsstadt Basel. Im Jahr 2013 eröffnete die Betreiberfirma MCH Group ein 430 Millionen Franken teures neues Messegebäude. 90 Millionen Franken steckte der Kanton in den Neubau für die Uhren- und Schmuckmesse – für die Katz, wie es heute aussieht. Zuerst zog die prestigeträchtige Uhren- und Schmuckmesse Baselworld weg. Dann kam die Pandemie. Die finanziellen Folgen tragen auch die Steuerzahler. Das Parlament hat dieses Jahr erneut 34 Millionen Franken für eine Kapitalerhöhung der Messe gesprochen.

Im VR sass auch Eva Herzog. Die politische Konkurrenz aus SVP und GLP forderte erfolglos den Rücktritt von ihr und ihrem Parteikollegen Christoph Brutschin (64) aus dem Verwaltungsrat; die Regierungsvertreter seien «mitverantwortlich» für den Wertverlust des Unternehmens und sähen sich in einem Rollenkonflikt, da sie einerseits die Interessen der MCH Group, andererseits die der Steuerzahler vertreten müssten.

Eva Herzog entgegnet auf Anfrage: «Dass der Basler Grosse Rat der MCH Group Mittel für eine Kapitalerhöhung gesprochen hat, war ein Bekenntnis zu einer Institution, die sich in einem anspruchsvollen Umfeld bewegt – wie auch die auswärtigen Beispiele in Genf (Automobilsalon) und St. Gallen (Olma) zeigen.»

Sie sieht keinen Rollenkonflikt

Worin der «kolportierte Rollenkonflikt» bestehen soll, so Herzog weiter, erschliesse sich nicht. Die öffentlich Delegierten im VR würden die Interessen des Standorts Basel vertreten – «genau wie beispielsweise die öffentlich Delegierten von Stadt und Kanton Zürich beim Flughafen Zürich».

Dann ist da noch die Affäre um die Basler Kantonalbank (BKB). Zwischen 2009 und 2015 verlor das im kantonalen Besitz stehende Geldhaus über 90 Millionen Franken. Grund war die Zusammenarbeit mit einer betrügerischen Anlagegesellschaft. Es gab eine Rüge der Finanzmarktaufsicht (Finma) und eine GPK-Subkommission wurde aktiv. Deren Schluss: Eva Herzog habe als zuständige Regierungsrätin ihre Aufsichtspflicht zu wenig wahrgenommen.

Sie widerspricht: «In meiner Zeit als Vorsteherin des Finanzdepartementes wurden von meinem Departement Richtlinien für ein Beteiligungsmanagement ausgearbeitet, welche die Rollen der operativen Ebene, des Regierungsrates und des Grossen Rates für die staatsnahen Betriebe definieren. Diese neuen Richtlinien orientieren sich an den Leitsätzen des Bundes (Corporate-Governance-Bericht vom 13. September 2006) und bilden den neusten Stand einer Good Governance ab.»

Ein Alphatier für den Bundesrat

Die genannten Fälle schliessen nicht aus, dass Herzog eine hervorragende Bundesrätin mit europapolitischer Weitsicht sein könnte – und dass sie wohl ein weiteres Alphatier in der Landesregierung würde, wie in Bern manche hoffen. So schildern Medienschaffende, aber auch Parteikollegen ehrfürchtig, wie sie schon nach einer missliebigen Äusserung telefonisch von Herzog abgekanzelt wurden.

Auch wenn sie jeweils in der Aufsicht, nicht aber in der operativen Verantwortung stand: Wie würde Herzog als Bundesrätin sicherstellen, dass sie ihre Aufsichtspflicht etwa über grosse bundesnahe Betriebe ausreichend und im Sinne der Steuerzahler wahrnimmt? Diese Frage ertönte bisher nur ganz, ganz leise.

Mit der promovierten Historikerin, so scheint es, kandidiert eine ganze Stadt für den Bundesrat. Eine Stadt mit einer glanzvollen Geschichte und dem Selbstverständnis, dass der heutige Zustand nicht ihrer eigentlichen Berufung entspricht. Demütigungen musste man genug erleiden. Die «Basler Zeitung» und das «Läckerli Huus» sind in Zürcher Hand, den Lead im Fussball haben die Berner übernommen. Umso dringlicher will man mit Herzog wieder in der Landesregierung vertreten sein: Sie ist ein Star, holt sie hier rein.

In Basel teilen sich SP und LDP die Macht

Auch deshalb bleiben keine Skandale an ihr haften. Die Basler Sozialdemokraten haben sich bestens eingemittet, man hat sich mit den Pharmadynastien arrangiert, die als Mäzene Kultur und Gesellschaft mitfinanzieren und im Gegenzug vom Steuervogt gekrault werden. Die Konzerne ermöglichen das höchste BIP pro Kopf im Land, weshalb die Bundesratsanwärterin jüngst im Blick stolz bemerken konnte, als Finanzdirektorin die Sozialausgaben verdoppelt zu haben. Die Jurassier können sich so etwas nicht leisten.

Die politische Macht teilt sich die SP mit den Liberaldemokraten der LDP, der traditionellen Partei des «Basler Daigs» und des weltoffenen Bürgertums. Von Haus aus Gegner, unterstützen LDP und SP einander häufig vor und hinter den Kulissen. Die beiden Parteien sind in verschiedenen Stiftungen und öffentlichen Institutionen miteinander verbunden.

Ein Beispiel für das System liefert der PUK-Bericht zum Biozentrum: LDP-Mann Christoph Eymann ersuchte per Mail am 8. August die Autoren, einen Abschnitt zu entfernen, in dem die Verantwortlichen in ihrer Funktion und Beziehung zueinander genannt werden. Eymann schreibt: «Höflich bitte ich um die Streichung der Passage (...), die sich zur Zusammensetzung des Lenkungsausschusses äussert.» Die diskrete Einflussnahme misslang.

Auf Anfrage argumentiert Eymann, dass die Passage «völlig irrelevant für die Prüfungstätigkeit der PUK» sei, die Feststellung der Inspektoren überdies «politische Beschlüsse und unser System» ignorieren würde. Zum Vorwurf der Klüngelei sagt er: «Unter ‹Klüngelei› werden Vetternwirtschaft und unlautere Absprachen bei Geschäften verstanden. Alle im PUK-Bericht erwähnten Personen, die den ‹Makel› (aus PUK-Sicht) aufweisen, der gleichen Partei anzugehören, haben sich für die Entwicklung der Universität erfolgreich eingesetzt und nicht etwa eigene Interessen verfolgt.»

Nie öffentlich zur Rede gestellt

SP-Mann Hans-Peter Wessels, der bei der Bekanntgabe von Herzogs Bundesratskandidatur neben ihr sass, hatte 2019 als Baudirektor die Verantwortung für das Biozentrumsdebakel übernommen.

Eymann, als Leiter des Lenkungsausschusses, sagte diesen Oktober zur «Basler Zeitung», er fühle sich allenfalls in der Mitverantwortung. Einen Monat später verlieh ihm die medizinische Fakultät die Ehrendoktorwürde.

Eva Herzog wurde wegen der umstrittenen Finanzlösung im Fall Biozentrum öffentlich nie zur Rede gestellt.
Das mag an ihrer Fachkompetenz liegen. Und wohl auch an Basel.

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