Beat Jans trotzt der SVP
Nationalrat will keine systematischen Grenzkontrollen

Keine systematischen Personenkontrollen an der Schweizer Landesgrenze, und auch keine grundsätzliche Asylverweigerung für Staatsangehörige von Ländern des Europarats: Der Nationalrat hat am Donnerstag zwei SVP-Forderungen eine deutliche Absage erteilt.
Publiziert: 14.03.2024 um 08:13 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2024 um 12:28 Uhr
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Justizminister Beat Jans muss sich der Migrationsthematik stellen. Die SVP hat eine ausserordentliche Session beantragt.
Foto: keystone-sda.ch
14.03.2024, 11:56 Uhr

SVP allein auf weiter Flur

Zuletzt kommt es, wie es zu erwarten war: Der Nationalrat lehnt die beiden Vorstösse der SVP überdeutlich ab. Nur die SVP selber unterstützt die beiden Forderungen - und bleibt chancenlos. Eine erneute Asyl-Debatte für die Galerie.

Die ausserordentliche Session ist damit beendet.

14.03.2024, 11:33 Uhr

Jans: Grenzkontrollen bringen nichts

Das Staatssekretariat für Migration prüfe jedes Asylgesuch einzeln. Für Jans gibt es keinen Grund, beispielsweise Asylgesuche aus der Türkei von vornherein auszuschliessen. Letztlich müsse die Schweiz ausschliessen, dass Menschen in ein Land zurückgeschickt werden, in denen sie gefährdet sind. Der Bundesrat beantrage daher, beide SVP-Vorstösse abzulehnen, so Jans.

Dass gleich mehrere Schengen Staaten wie etwa Deutschland Grenzkontrollen eingeführt haben, hält Jans - nach einigen diplomatischen Floskeln - schlicht für falsch. Es bringe einfach nichts.

Die SVP lässt sich die Gelegenheit zum öffentlichen Auftritt nicht nehmen - und stellt Justizminister Jans Dutzende Zwischenfragen, dabei auch immer wieder die gleichen. Die SVPler stehen Schlange, um auch noch am Rednerpult auftreten zu können. Jans versucht geduldig, jede Frage zu beantworten, weist aber dann doch darauf hin, dass er einzelne Fragen schon mehrfach beantwortet habe.

14.03.2024, 11:26 Uhr

Aufgegriffene könnten immer noch Asylgesuch stellen

Systematische Kontrollen an der Landesgrenze würden das Problem nicht lösen, betonte Jans. Das zeige sich ja in den Ländern auf der Balkan-Route. Selbst wenn die Schweiz Kontrollen einführen würden, könnten Aufgegriffene immer noch ein Asylgesuch stellen. Das zeige sich etwa in Österreich.

Hinzu kämen massive Auswirkungen auf den täglichen Grenzverkehr. Gemäss Studien dürfte dies Kosten von jährlich rund 1,5 Milliarden Franken verursachen.

14.03.2024, 11:22 Uhr

«Schweiz kann Probleme nicht alleine lösen»

Mit beiden Forderungen der SVP kann der Bundesrat nicht viel anfangen. Justizminister Beat Jans verwiese im Nationalrat auf den tobenden Krieg in Europa. Noch nie hätten sich weltweit so viele Menschen auf der Flucht befunden wie heute. Das habe die Migration in vielen Ländern zu einem wichtigen Thema gemacht. Es gehe aber darum, die Probleme zu lösen - und nicht zu bewirtschaften, erklärte er an die Adresse der SVP.

Eine Lösung könnten die Staaten aber nur gemeinsam lösen. Das könne die Schweiz nicht alleine. «Aber wir können unseren Beitrag leisten», so Jans.

Die EU wolle die Aussengrenzen stärker sichern und Schlepperbanden härter bekämpfen. Sie wolle aber auch faire Verfahren für Schutzsuchende.

«Im Asylwesen gibt es auch Missbrauch», stellte Jans klar. Auch diese Probleme seien gemeinsam anzugehen. Die beiden SVP-Vorstösse aber seien keine tragfähigen Lösungen, gab sich Jans ruhig und sachlich.

Jans kündigte an, er werde weiter an den Problemen in seinem Bereich arbeiten. Er kündigte etwa eine Vorlage an, mit welcher die Integration von ukrainischen Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt verbessert werden soll.

14.03.2024, 11:09 Uhr

«Sonst stellen bald auch Menschen aus Italien Asylanträge»

SVP-Kollege Alfred Heer fordert den Bundesrat dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, damit Personen aus Europaratsstaaten kein Asyl mehr in der Schweiz erhalten können. Er verweist etwa auf die Türkei, aus der ebenfalls Menschen in der Schweiz Asylanträge stellen. Das könne ja bei einem vollwertigen Mitglied des Europarats nicht sein. «Sonst stellen bald auch Menschen aus Italien, Frankreich oder Deutschland bei uns Asylanträge», befindet Heer. Das sei schlicht nicht nachvollziehbar.

14.03.2024, 11:03 Uhr

Wieder selber über Landesgrenze bestimmen

Die Kriminalität habe massiv zugenommen. Es vergehe kaum mehr ein Tag ohne Delikte, begangen von illegal Anwesenden, betont Aeschi. Komme hinzu, dass diese oft durch mehrere sichere Staaten in die Schweiz eingereist seien.

Er könne nicht verstehen, warum die Schweiz ihre eigenen Grenzen nicht kontrollieren könnten, so wie es der Bundesrat argumentiert, wenn dies doch umliegende Staaten sehr wohl könnten. Der Bundesrat berufe sich schon jetzt auf EU-Recht, kritisiert Aeschi. Er verweist auf die angekündigte SVP-Begrenzungsinitiative, mit welcher die Schweiz wieder selber über ihre Grenze bestimmen könne.

14.03.2024, 10:57 Uhr

SVP kann Vertagung abwenden

Die Diskussion solle jetzt geführt werden, beschwerte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi den Nationalrat. Die Lage sei angesichts der vielen illegal Eingereisten dramatisch. Der Handlungsbedarf sei gross. Die Kriminalität habe massiv zugenommen. Die Diskussion dürfe nicht einmal mehr verschoben werden.

Und tatsächlich folgte der Nationalrat Aeschi mit ganz grossem Mehr. Die Diskussion soll geführt werden.

14.03.2024, 10:53 Uhr

Diskussion soll vertagt werden

«Schutz der Schweizer Landesgrenzen», so lautet der Titel der ausserordentlichen Session, die die SVP beantragt hat. Es ist das erste Mal, dass Asylminister sich der geballten Macht der SVP-Allianz in deren Kernthema direkt stellen muss.

Hilfe aber kam von Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini. Er beantragte, die zu beratenden Vorstösse zur Vorprüfung an die zuständigen Kommissionen zu überweisen. So hatte es schon der Ständerat zuvor gemacht. Die Zeit dränge nicht. Die innere Sicherheit sei nicht gefährdet.

Es gebe immerhin noch einige zu klärende Fragen - etwa, wie systematische Kontrollen an der Landesgrenzen durchzuführen wären und welche Auswirkungen sie hätten.

14.03.2024, 08:22 Uhr

Noch geht es um anderes

Doch bevor es zum ersten Schlagabtausch zwischen Asylminister und Asylpartei kommt, steht im Nationalrat noch anderes auf dem Programm: Zuvor geht es unter anderem um die Frage, ob der Doppelname zurückkommen soll. Immer mehr Expertinnen kommen nämlich zum Schluss, dass dessen Abschaffung ein Fehler war. Wenn ja, wären für verheiratete und eingetragene Paare viele Namenskombinationen möglich. Sobald die ausserordentliche Session beginnt, tickert die Blick-Bundeshausredaktion hier.

14.03.2024, 08:07 Uhr

Justizminister Beat Jans vor seiner nächsten Bewährungsprobe

Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Gestern Mittwoch musste sich der neue Justizminister Beat Jans erstmals einer Asyl-Debatte im Ständerat stellen, heute Donnerstag wird er im Nationalrat mit Forderungen der SVP konfrontiert. Diese hat zur Migrationspolitik eigens eine ausserordentliche Session verlangt. Einerseits fordert sie dabei systematische Kontrollen an der Landesgrenze und eine Einreiseverweigerung für all jene, die ohne gültigen Aufenthaltstitel oder andere Berechtigung erwischt werden. Andererseits verlangt die SVP Massnahmen, damit Personen aus Europaratsstaaten kein Asyl mehr in der Schweiz erhalten können. Der Bundesrat lehnt beide Vorstösse ab.

Ende des Livetickers

Die erste Motion von Thomas Aeschi (SVP/ZG) forderte systematische Personenkontrollen an der Schweizer Landesgrenze, um Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel oder andere Einreiseberechtigung zurückzuweisen. Mit einer zweiten Motion wolle Alfred Heer (SVP/ZH) den Bundesrat zu Massnahmen auffordern, damit Personen aus Europaratsstaaten kein Asyl mehr in der Schweiz erhalten können.

Die grosse Kammer lehnte die beiden Vorstösse deutlich ab - mit 112 zu 69 Stimmen bei 5 Enthaltungen beziehungsweise mit 120 zu 65 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Die Motionen sind damit erledigt.

Die SVP-Fraktion hatte die ausserordentliche Session mit dem Titel «Schutz der Schweizer Landesgrenzen» erwirkt. «Die Lage ist dramatisch», gab Aeschi zu bedenken. Die Schweiz registriere Jahr für Jahr Zehntausende illegale Grenzübertritte. «Wir haben schlicht die Kontrolle verloren.» Kosten und Kriminalität explodierten.

«Ich verstehe die Welt nicht mehr»

Auch viele Personen aus sicheren Drittländern stellten ein Asylgesuch in der Schweiz, hielt Heer fest. Am zweitmeisten Asylgesuche stammten von Personen aus der Türkei, einem Europaratsstaat. «Ich verstehe die Welt nicht mehr.»

Justizminister Beat Jans beantragte im Namen des Bundesrats die Ablehnung der beiden Motionen. Die Voraussetzungen für die Einführung von Binnengrenzkontrollen seien für die Schweiz nach wie vor nicht gegeben. Weder die öffentliche Ordnung noch die innere Sicherheit seien zurzeit ernsthaft bedroht. Zudem hätten Kontrollen an den Binnengrenzen wenig oder keinen Einfluss auf die irreguläre Sekundärmigration, sagte Jans.

Da nicht alle Mitgliedstaaten des Europarats als verfolgungssichere Staaten nach schweizerischem Asylrecht betrachtet werden könnten und jedes Asylgesuch individuell geprüft werden müsse, sei auch die Motion von Heer abzulehnen. Die Schweiz überprüfe die Liste der sicheren Länder regelmässig.

Der Ständerat hatte bereits am Mittwoch zwei gleichlautende Motionen zur Vorprüfung an die zuständige Kommission zurückgewiesen. Er wird später darüber entscheiden. Sagt die kleine Kammer Ja dazu, wird sich erneut der Nationalrat dazu äussern müssen. (SDA)

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