Aussenminister Ignazio Cassis (59) krempelt sein Departement um. Seinen Vertrauten, Staatssekretär Roberto Balzaretti (55) schickt er in die Wüste respektive an die Seine. Er wird Botschafter in Frankreich.
Die neue starke Frau im EDA heisst Livia Leu (59) – die Bündnerin wird nicht nur die Verhandlungen mit der EU leiten, sondern ab 1. Januar 2021 auch die wichtigsten Bereiche des Aussendepartements. Die EU-Politik würde damit zur «Chefsache», sagte Cassis.
Grund zur Hoffnung
Heisst: Leu muss den EU-Chnorz lösen. Zur Erinnerung: Das Rahmenabkommen, das Balzaretti vor eineinhalb Jahren aus Brüssel mitgebracht hatte, ist aus EU-Sicht fertig verhandelt. Doch in der Schweiz zeigte sich, dass drei Punkte nachverhandelt werden müssen: der Lohnschutz, die Staatsbeihilfen und die Frage der Unionsbürgerrichtlinie. Zudem wird wieder Kritik am geplanten Streitbeilegungsmechanismus laut: Dass der Europäische Gerichtshof eine so wichtige Rolle einnehmen soll, missfällt breiten Teilen.
Und es gibt Grund zur Hoffnung: Sowohl EU-Botschafter Petros Mavromichalis (56) als auch deutsche Botschafter Michael Flügger (60) sagten, sie seien zuversichtlich, dass die umstrittenen Punkte geregelt werden könnten. Hier die Interessen der Schweiz zu vertreten, wird Leus erste Aufgabe sein.
Langjährige Erfahrung
Die 59-jährige Spitzendiplomatin hat bewiesen, dass sie verhandeln kann. Nicht nur, weil sie vor ihrer Versetzung nach Paris als Delegierte des Bundesrats für Handelsverträge im Staatssekretariat für Wirtschaft tätig war. Sondern vor allem, weil Leu zuvor Schweizer Botschafterin in Iran war und in Teheran auch die Interessen der USA vertrat. Als erste Frau auf diesem Posten verhandelte sie über Monate die Freilassung von drei amerikanischen Touristen, die sich beim Wandern im iranisch-kurdischen Gebiet verlaufen hatten und wegen Spionage festgenommen worden waren.
Sie war erfolgreich – was ihr den Dank der damaligen US-Aussenministerin Hillary Clinton (72) einbrachte – und ein Treffen mit dieser. «Solche Situationen erfordern Geduld und diplomatische Hartnäckigkeit», sagte Leu später über die schwierigen Verhandlungsrunden. «Es ist wichtig, dass man als Diplomatin nicht moralisch urteilt oder richtet, sondern den vorhandenen Spielraum nutzt.»
«Ein Rahmenabkommen ist notwendig»
Hartnäckigkeit und die Fähigkeit, den Spielraum zu nutzen – zwei Schlüsseleigenschaften, die es brauchen wird in den anstehenden Verhandlungen mit Brüssel. Die EU-Politik kenne sie seit Jahren aus ihren bisherigen Jobs, zeigte sich Leu vor den Medien überzeugt. Und: «Ein Rahmenabkommen ist notwendig», müsse aber auch die Interessen beider Seiten auf faire Weise widerspiegeln. Sie sei zuversichtlich, dass dies «mit guten Willen und Verhandlungskreativität» zu bewerkstelligen sei.