Das vielleicht Überraschendste an Livia Leu (59) ist der Beruf ihres Mannes: Donat Agosti ist nämlich Ameisenforscher. Und kommt, wie die beiden Söhne, viel herum. Leu bekleidete schon Posten in New York, Kairo und Teheran. Derzeit ist die Bündnerin Schweizer Botschafterin in Paris.
Nun könnte sie nach Bern zurückkehren. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, soll Leu Staatssekretärin im Aussendepartement von Ignazio Cassis (59) werden. Der aktuelle Staatssekretär – der umstrittene «Mr. Europa» Roberto Balzaretti (55) – würde in einer Art Jobtausch Leus Posten in Paris übernehmen.
Leu ist nur ein Name unter vieren
Offiziell bestätigen mag das niemand. Der Bundesrat wird sich wohl morgen über die heikle und komplizierte Personalie beugen, bis dahin sagt niemand etwas Zitierfähiges. Doch Quellen aus dem Umfeld des Aussenministers bestätigen, dass Leu eine der Personen ist, die infrage kommen für den Posten des Super-Staatssekretärs im EDA.
Andere mögliche Kandidaten sind Thomas Greminger (59), abgewählter Chef der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Alexandre Fasel (59), aktuell Botschafter in London, oder Dominique Paravicini (53), derzeit Botschafter in Ankara.
Allenfalls sind auch zwei Posten zu vergeben: Denn der Bundesrat steht vor der Frage, ob er «nur» einen EDA-Staatssekretär will, der selbst das wichtigste EU-Dossier übernimmt, oder ob er zusätzlich einen Unterhändler ernennt, der mit Brüssel über das Rahmenabkommen verhandelt.
Die erste Botschafterin in Teheran
Klar ist: Leu könnte beides. Wenn die 59-jährige Spitzendiplomatin etwas bewiesen hat, dann, dass sie verhandeln kann. Nicht nur, weil sie vor ihrer Versetzung nach Paris als Delegierte des Bundesrats für Handelsverträge im Staatssekretariat für Wirtschaft tätig war. Sondern vor allem, weil Leu zuvor Schweizer Botschafterin in Iran war und in Teheran auch die Interessen der USA vertrat. Als erste Frau auf diesem Posten verhandelte sie über Monate die Freilassung von drei amerikanischen Touristen, die sich beim Wandern im iranisch-kurdischen Gebiet verlaufen hatten und wegen Spionage festgenommen worden waren.
Hillary Clinton bedankte sich bei ihr
Sie war erfolgreich – was ihr den Dank der damaligen US-Aussenministerin Hillary Clinton (72) einbrachte – und ein Treffen mit dieser. «Solche Situationen erfordern Geduld und diplomatische Hartnäckigkeit», sagte Leu später über die schwierigen Verhandlungsrunden. «Es ist wichtig, dass man als Diplomatin nicht moralisch urteilt oder richtet, sondern den vorhandenen Spielraum nutzt.»
Ihr Geschlecht empfand sie in Teheran eher als Vorteil: «Die Iraner waren stets sehr professionell und höflich zu mir. Es fällt ihnen schwerer, einer Frau Nein zu sagen. Zudem bleibt man als einzige Frau den wichtigen Politikern leichter in Erinnerung», sagt sie.
Hartnäckigkeit und die Fähigkeit, den Spielraum zu nutzen – zwei Schlüsseleigenschaften, die es brauchen wird in den anstehenden Verhandlungen mit der EU um das Rahmenabkommen, das in der Schweiz vor dem Aus steht. Leu dürfte das nicht scheuen. Im Iran ging es nicht nur um flankierende Massnahmen und Schiedsgericht. Sondern um Atomwaffen und Menschenleben.