Beim Thema Auspuffklappen stellen sich manche Automobilhersteller einfach taub. BMW etwa liess drei Mailanfragen unbeantwortet.
Auch der Autohändler Emil Frey gibt sich eher zugeknöpft. «Auf das Aussortieren dieses technischen Details über unsere gesamten Marken möchten wir gerne verzichten», liess die Medienstelle den Beobachter wissen.
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Dabei wären die Fragen ganz einfach gewesen. Verkaufen Emil Frey oder BMW Autos, deren Motorgeräusch auf Knopfdruck lauter wird? Falls ja: Entsprechen diese Autos der geltenden Verordnung? Diese besagt nämlich klipp und klar: Die durch das Fahrzeug erzeugten Geräusche dürfen das technisch vermeidbare Mass nicht überschreiten.
Umgekehrt formuliert: Motoren müssen so gebaut werden, dass sie so leise wie möglich sind. Eine Vorrichtung, die den Motor per Knopfdruck lauter macht, erfüllt diese Bestimmung ganz offensichtlich nicht.
«Sound-Taste» trotzdem zugelassen
Trotzdem werden in der Schweiz tagtäglich Autos mit solchen Vorrichtungen zugelassen. Etwa der Jaguar F-Type R75 Coupé. Jaguar preist die «Sound-Taste für aktive Sportabgasanlage mit Klappensteuerung» sogar als besonderes Verkaufsargument an. Auf die Anfrage des Beobachters nach der Funktion dieser «Sound-Taste» reagierte die Medienstelle nicht.
Doch nicht nur exklusive Sportwagen aus dem Hause Jaguar machen auf Knopfdruck mehr Krach. Wie die grösste Autohändlerin der Schweiz, die Amag, schreibt, kann die Fahrerin oder der Fahrer bei den «sportlichen» Modellen wie Audi RS oder den R-Modellen von VW aus den Fahrprofilen Normal, Komfort, Eco, Sport wählen. Dadurch ändere sich auch die «Soundcharakteristik».
Leider liess die Nachfrage, ob das Motorgeräusch dadurch messbar lauter werde, die Medienstelle dann wiederum verstummen.
Klartext schrieb hingegen Ford: «Das einzige Modell unserer Palette, das durch das Anwählen des Fahrmodus Sport lauter wird, ist der Mustang mit V8-Motor.» Auch Mercedes redete nicht um den heissen Brei herum: «In unseren Modellen können über das Display oder am Lenkrad verschiedene Fahrprogramme angewählt werden. Das Motorgeräusch wird dadurch messbar lauter oder leiser.»
Autoposer fallen im Stadtverkehr auf
Die Folgen der «Sportabgasanlagen», «Fahrerlebnisschalter» und geänderten «Soundcharakteristiken» spüren Anwohner und Passantinnen von Strassen, auf denen sogenannte Autoposer ihre Runden drehen. Der Duden definiert einen Autoposer als Person, «die sich mit einem leistungsstarken Auto im Stadtverkehr auffällig prahlerisch (und ordnungswidrig) verhält».
Beschwerden über Fahrzeuge, die unnötige Lärmspitzen verursachen, haben in den vergangenen Jahren zugenommen, schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Eine aktuelle, repräsentative Umfrage der ETH Zürich ergab, dass der Strassenlärm der Lärm ist, der die Menschen in der Schweiz besonders belästigt.
Zwei Drittel fühlen sich davon gestört, jede achte Person sogar sehr. Als nervigste Lärmbelästigung überhaupt aber gaben die Befragten an: Autoposer und ihre getunten Boliden.
Eine lärmgeplagte Bevölkerung, eine Verordnung, die übermässig laute Motoren verbietet, und Hersteller, die Autos mit eingebautem Krawallschalter verkaufen: Wie passt das zusammen? Ganz klar scheint das selbst den Behörden nicht immer zu sein. «Sämtliche Auspuffanlagen, welche vermeidbaren Lärm verursachen, sind verboten, ob mit oder ohne Klappen», schreibt das Bundesamt für Strassen (Astra) auf Anfrage.
EU-Recht übersteuert Schweizer Recht
Die Vereinigung der Strassenverkehrsämter (Asa) hingegen verweist auf die bilateralen Abkommen mit der EU. Die Schweiz erkenne die europäischen Gesamtgenehmigungen an.
«Da die EU Klappenauspuffanlagen nicht verbietet, sind diese auch in der Schweiz zu finden», so ein Asa-Sprecher. EU-Recht übersteuert also die schweizerische Verordnung, die die Bevölkerung eigentlich vor übermässigem Lärm schützen würde.
Mehr zu Autoposern
Gemäss EU-Recht dürfen Fahrzeughersteller Auspuffklappen einbauen, wenn das Motorgeräusch die vorgeschriebenen Dezibelwerte nicht überschreitet. Was einfach klingt – eine vorgeschriebene Dezibel-Obergrenze –, ist in Wirklichkeit selbst für Fachleute schwer zu begreifen. «Das entsprechende Reglement und der darin beschriebene Prüfzyklus sind leider äusserst kompliziert», so ein Sprecher des Bafu.
Die Frage, wer Reglemente verfasst, die selbst Fachleute kaum verstehen, führt nach Genf in das weitverzweigte Palais des Nations der Uno. Dort tagt zweimal jährlich die Working Party on Noise and Tyres oder Groupe Rapporteur Bruit et Pneumatiques (GRBP), zu Deutsch: Arbeitsgruppe für Lärm und Reifen.
Kaum jemand kennt dieses Gremium, dabei haben seine Entscheidungen massgeblichen Einfluss darauf, wie viel Fahrzeuglärm die Bevölkerung in Europa – und in der Schweiz – ertragen muss. Denn die Europäische Kommission orientiert sich in ihrer Gesetzgebung eng an den Empfehlungen der GRBP.
«Beratende» Lobbyorganisationen
Lärmgeplagte allerdings sitzen bei den Beratungen in Genf nicht mit am Tisch. Dafür die Industrie. Die Liste der Fahrzeugorganisationen, die an den GRBP-Sitzungen teilnehmen, ist ziemlich lang: Dabei sind etwa der internationale Lobbyverband der Autohersteller Oica (International Organization of Motor Vehicle Manufacturers), der Motorradhersteller Imma (International Motorcycle Manufacturers’ Association) sowie der Lobbyverband der Zulieferbranche Clepa (European Association of Automotive Suppliers).
Auch wenn diese Lobbyorganisationen an den Sitzungen nur beratend teilnehmen, haben sie doch grossen Einfluss. Das gibt die Mediensprecherin der United Nations Economic Commission for Europe (Unece) ganz ungeniert zu: «Angesichts der möglichen Auswirkungen der Arbeit der GRBP auf die Fahrzeugkonstruktion sowie den Verwaltungs- und Zertifizierungsprozess ist die Industrie sehr aktiv.»
Neue Gesetzesrevision im Sinne der Lobby?
Auf EU-Ebene wird derzeit an einer Gesetzesrevision zum zulässigen Fahrzeuglärm gearbeitet. Im September soll die GRBP einen Bericht erstellen «über die Überwachung der Bestimmungen über zusätzliche Geräuschemissionen im realen Fahrbetrieb».
Allein der sperrige Name verheisst nicht unbedingt Linderung für die von den Krawall-Auspuffen geplagte Bevölkerung. Die Fahrzeugindustrie dürfte auch hier ihr Wörtchen mitgeredet haben.