Die Corona-Fallzahlen schiessen durch die Decke. Alleine am Mittwoch musste das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 32'881 Neuinfektionen vermelden. Die Folge: Mindestens 220'000 Menschen sitzen derzeit in Isolation oder Quarantäne. Diese fehlen in Fabriken, in Schulen – oder in Spitälern.
Der Bundesrat hat reagiert: Ab Donnerstag verkürzt er sowohl Isolation als auch Quarantäne auf fünf Tage. Letztere ist zudem auf enge Kontakte beschränkt. Und die Regierung legt den Kantonen noch viel radikalere Vorschläge zur Beurteilung vor.
Isolation wird nur pro forma in Frage gestellt
So will sie wissen, was die Kantone von der Abschaffung von Quarantäne und Isolation als behördlicher verfügter Massnahme halten, die durch eine eigenverantwortliche Selbstisolation und Selbstquarantäne ersetzt werden würde. Und: Der Bundesrat prüft gleichzeitig, die Quarantäneregeln «angesichts der hohen Viruszirkulation vorübergehend» gleich ganz auszusetzen.
Doch was steckt hinter den diesen Plänen? Kapituliert der Bundesrat vor rekordhohen Fallzahlen? Nein, versichern Insider: Die Regierung baut vielmehr darauf, dass die Kantone vor solch weitgehenden Massnahmen zurückschrecken – und ihr zumindest für eine Weiterführung der Isolation den Rücken stärken. Eine Rechnung, die durchaus aufgehen dürfte.
Bundesrat will sich in alle Richtungen absichern
Die Corona-Situation aber bleibt ungewiss. Verschärfungen, das sagten Bundespräsident Ignazio Cassis (60) und Gesundheitsminister Alain Berset (49) am Mittwoch, seien durchaus möglich und könnten sehr schnell beschlossen werden
Das spurt der Bundesrat bereits vor. Fast so, als wolle er sich in der Konsultation in alle Richtungen absichern. Die Palette möglicher Massnahmen ist breit, eine eigentliche Stossrichtung sucht man vergebens.
Das betrifft etwa die Test-Strategie. So verweist der Bundesrat auf Studien, wonach die Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests mit der Omikron-Variante «stark abgenommen» habe. Hinzu kommt, dass die Test-Kapazitäten vielerorts am Anschlag sind. Der Bundesrat stellt daher zur Debatte, dass auf das Ausstellen von Testzertifikaten verzichtet werden soll. Der Zugang mit 2G plus oder 3G würde dadurch vielerorts wieder erschwert. Das ohne Hintergedanken, wird versichert, aber mit Nebeneffekt: Der Druck auf Ungeimpfte würde nochmals erhöht.
Maskenpflicht bereits ab acht Jahren?
Doch bei den Tests könnte es gleichzeitig auch Erleichterungen geben: Bis heute ist bei der Einreise in die Schweiz ein negatives Testresultat vorzulegen. Nun schlägt der Bundesrat den Kantonen vor, bei Geimpften und Genesenen angesichts der hohen Fallzahlen in der Schweiz darauf zu verzichten.
Verschärfungen stellt der Bundesrat hingegen bei der Maskenpflicht in Aussicht, sollte sich die Situation in den Spitälern verschlechtern. So stellt er etwa eine Maskenpflicht für Kinder ab bereits acht Jahren zur Diskussion. Heute gilt diese ab zwölf Jahren. Gleichzeitig könnte sie auf Menschenansammlungen im Freien ausgeweitet werden, etwa bei Haltestellen, Anstehbereichen in Skigebieten oder bei Grossveranstaltungen. Und für den ÖV überlegt sich der Bundesrat ein Konsumationsverbot im Ortsverkehr (S-Bahn, Tram, Bus usw.).
«Die Situation ist unsicher und schwierig zu deuten»
Auch im Bildungsbereich könnte der Bund die Schraube bald wieder anziehen. So will der Bundesrat von den Kantonen wissen, was sie von einem befristeten Verbot des Präsenzunterrichts an Unis und Fachhochschulen halten – analog zur Homeoffice-Pflicht.
Bei Grossveranstaltungen wiederum schiebt der Bund den Ball ganz den Kantonen zu. Er will von ihnen wissen, ob sie eigenständig Kapazitätsbegrenzungen oder andere Einschränkungen prüfen. Selber schlägt er derzeit keine Massnahmen vor – obwohl die maskenlosen Massen bei den Skirennen in Adelboden BE international für Irritation gesorgt haben – und auch Wengen BE an diesem Wochenende keine Masken vorschreibt.
«Die Situation ist unsicher und schwierig zu deuten», hatte Gesundheitsminister Alain Berset (49) am Mittwoch vor den Medien erklärt. Zwar gebe es aus den Spitälern eine ermutigende Entwicklung, doch die Lage bleibe fragil. Das zeigt sich nun auch bei den Corona-Massnahmen, die der Bund den Kantonen als mögliche weitere Schritte vorschlägt. Für Berset ist es eine «pragmatische Strategie mit Risiken». Die Kantone können ihre Haltung nun bis Montag einbringen.