«Wir fordern, dass vor der Rückkehr ein negativer Test vorliegen muss»
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Ribi zur verkürzten Quarantäne:«Vor der Rückkehr muss ein negativer Test vorliegen»

Bündner mobilisieren Pflegekräfte, Schulen setzen auf Springer, Händler füllen Lager
So rüstet sich die Schweiz für die Monsterwelle

Tausende Menschen müssen in den nächsten Tagen und Wochen voraussichtlich in Isolation oder Quarantäne. Blick zeigt, was die drohenden Personalausfälle für die Behandlung im Spital, den Schulunterricht, den Einkauf im Laden oder die Kehrichtabfuhr bedeutet.
Publiziert: 13.01.2022 um 00:15 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2023 um 09:05 Uhr
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Sollte man sich angesichts der drohenden Omikron-Welle besser mit Esswaren eindecken?
Foto: Keystone
Ruedi Studer, Pascal Tischhauser, Sermîn Faki, Ulrich Rotzinger, Ladina Triaca

Omikron fegt über die Schweiz. Knapp 220'000 Menschen befinden sich derzeit in Isolation oder Quarantäne – und es dürften noch mehr werden. Die Taskforce rechnet bis Ende Januar mit einer «Superinfektionswoche», während der sich zehn bis 30 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infizieren könnten.

«Die Welle ist in vollem Gang», konstatierte am Mittwoch auch Ignazio Cassis (60) bei seinem ersten Auftritt als Bundespräsident. Um die Wirtschaft vor Engpässen beim Personal zu schützen, verkürzt der Bundesrat sowohl die Isolation für Infizierte als auch die Quarantäne für enge Kontakte auf fünf Tage. Und er fragt die Kantone gar, was sie von einer vollständigen Aufhebung der Quarantäneregeln halten.

Bereits am Montag hatte der Bund die Kantone dazu aufgerufen, in den Spitälern genügend Kapazitäten bereitzuhalten und den Betrieb kritischer Infrastrukturen sicherzustellen. Auch die Schulen brauchen zunehmend Unterstützung. Wie also rüsten sich Kantone und Gemeinden für die Monsterwelle?

1. Das Gesundheitswesen

Bitte melden, heisst es in Graubünden – zumindest für jene, die eine Pflegeausbildung absolviert haben und heute nicht mehr in dem Beruf arbeiten. Sie müssen sich beim Kanton registrieren und können sich mental schon mal auf einen Einsatz im Spital vorbereiten. Die Verkürzung von Quarantäne und Isolation helfe gegen Personalengpässe. «Trotzdem wollen wir für den Notfall gewappnet sein», erklärt der Leiter des Gesundheitsamts, Rudolf Leuthold.

Erfahrung mit solchen Aufrufen hat man in Appenzell Innerrhoden. 185 Personen können als Aushilfen in Spitälern und Heimen eingesetzt werden. Andere Kantone wie etwa der Aargau wollen von «Zwangsrekrutierungen» nichts wissen und prüfen stattdessen den Einsatz von Medizinstudentinnen und -studenten oder Zivildienstlern. Kreativ unterwegs ist das Kantonsspital Aarau: Hier wird aktuell das interne Kita-Angebot hochgefahren, damit die Mitarbeitenden «bestmöglich entlastet» werden können. Am Kantonsspital St. Gallen werden die Wahleingriffe um mindestens 25 Prozent reduziert.

Die Omikron-Welle bäumt sich nicht nur vor den Spitälern auf. Michael Ganz (50), Präsident des Aargauer Spitex-Verbands, sagt: «Die Spitex-Organisationen müssen sich auf ein Worst-Case-Szenario vorbereiten.» Sollte es zu massiven Personalengpässen kommen, müsse das Angebot reduziert werden. So könnten hauswirtschaftliche Dienstleistungen reduziert werden oder die Häufigkeit der Besuche, «wenn es medizinisch vertretbar ist».

2. Die Schulen

Simon Stadler (33) ist Mitte-Nationalrat – und «Springer». Als Primarlehrer springt er ein, wenn an einer Schule eine Stellvertretung gesucht wird. «In den letzten Tagen hat das Telefon bei mir öfters geklingelt, weil Lehrpersonen in Quarantäne oder Isolation mussten», sagt er. Die Situation in Uri sei angespannt. «An den Schulen brennt es. Es ist sehr viel Flexibilität von Lehrpersonen, Eltern und Kindern gefragt.»

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Das spürt auch sein Parteikollege Stefan Müller-Altermatt (45). Er ist Gemeindepräsident des 600-Seelen-Dorfes Herbetswil SO. In den Schulen könne man eine gewisse Zeit mit Homeschooling überbrücken, aber Personalausfälle seien schwierig zu ersetzen. «Da ist man ein Stück weit machtlos. Man steht wie der Esel vor dem Berg und versucht zu agieren.»

Was also bleibt den Schulen? Die Bündner Kantonsärztin Marina Jamnicki sagte am Dienstag, dass sie von Kantonen wisse, die sich beispielsweise auf Fernunterricht oder eine Verlängerung der Skiferien vorbereiteten. Eine Umfrage unter den Kantonen zeigt allerdings, dass die meisten so lange wie möglich beim Präsenzunterricht bleiben wollen. Ferienverlängerungen stehen praktisch nirgends zur Diskussion.

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3. Die Grundversorgung

Viele Mitarbeiter in Quarantäne und starke Schneefälle über mehrere Tage – das ist das Horrorszenario von Reto Zurbuchen (51), Leiter des Berner Tiefbauamts. «Dann müssten wir uns auf die Räumung der ÖV-Verkehrswege und der Notfallachsen – etwa die Zufahrten zu den Spitälern – konzentrieren», sagt er. Erst am Montag wurde das bestehende Schutzkonzept verschärft. «Die verschiedenen Teams in den einzelnen Stützpunkten der Strassenreinigung arbeiten in verschiedenen Schichten.»

Energie Wasser Bern (EWB) hat «Teams mit den systemrelevanten Mitarbeitenden zusammengestellt, die räumlich getrennt sind, damit sie sich möglichst nicht gegenseitig anstecken», wie Sprecherin Sabine Krähenbühl sagt. Ausserdem können Mitarbeitende ihr Dienstfahrzeug mit nach Hause nehmen, damit sie sich nicht im ÖV anstecken. Strom, Gas und Trinkwasser sollen schliesslich trotz Omikron fliessen.

Im Moment wird auch der Müll in der Stadt Bern noch pünktlich abgeholt. Lediglich einer von insgesamt 140 Mitarbeitenden fehlt, weil er sich in Isolation befindet. Erhöhten sich die Abwesenheiten nicht auf mehr als zehn Prozent der Belegschaft, könne man die Leistungen normal weiterführen, sagt Christian Jordi (58), Chef von Entsorgung + Recycling Bern. Sollten aber noch mehr Mitarbeitende fehlen, müsste man beim Berner Gemeinderat beantragen, die Kadenz der Leistungen herunterzufahren. Die Zahl der Kehrichtabfuhren pro Woche müsste also verringert werden.

4. Die Hotels und Gastronomie

Mit der Verkürzung der Isolations- und Quarantänedauer auf fünf Tage verschafft der Bundesrat den Betrieben etwas Luft. Der Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden, Ernst «Aschi» Wyrsch (60), ist «happy». «Bei den erwarteten Fallzahlen würde es sonst einen Kollaps geben», sagt er. Die drohende Monsterwelle könnte das Gastgewerbe aber bald wieder an seine Grenzen bringen. Hotelleriesuisse-Präsident Andreas Züllig (63) fordert deswegen: «Die Quarantänepflicht für Personen ohne Symptome muss ganz abgeschafft werden.»

5. Der Detailhandel

Müssen wir uns wieder mit WC-Papier und Dosen-Ravioli eindecken? Nein, Hamsterkäufe seien unnötig, heisst es bei Migros und Coop. Auch die Direktorin der Swiss Retail Federation, Dagmar Jenni, sagt, die Läden seien auf die Omikron-Welle vorbereitet. «Die Lager sind gefüllt, insbesondere der Grundbedarf ist gesichert.» Personalausfälle würden mit Aushilfs- und Temporär-Lösungen aufgefangen, bei kritischem Fachpersonal wurden bereits Rotationspläne aufgegleist, um Ausfälle und Kontakte zu vermeiden. «Im schlimmsten Fall kürzen wir noch vereinzelt die Ladenöffnungszeiten», sagt Jenny.

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