Auch SVP-Kollegen unterstützen Vorstoss
Zwei SP-Parlamentarier fordern Strategie gegen Armut

Der Bund knausert bei der Armuts-Bekämpfung – und das, obwohl die Zahl der Menschen, die hierzulande unter dem Existenzminimum leben, gestiegen ist. Nun wächst der Druck auf den Bundesrat, zu handeln.
Publiziert: 27.12.2023 um 18:14 Uhr
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Aktualisiert: 27.12.2023 um 19:40 Uhr
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Die Zahl der Armutsbetroffenen in der Schweiz ist in den letzten Jahren gestiegen. Das bekommen beispielsweise Caritas-Märkte zu spüren.
Foto: Stefan Bohrer
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Die Schweiz steht schlecht da. Bis 2030 soll der Anteil der Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt, sinken. Dieses Ziel hat sich der Bundesrat vor einigen Jahren gesetzt. Doch in den vergangenen Jahren ist das Gegenteil passiert: Die Zahl der Armutsbetroffenen in der Schweiz stieg – von 534'000 im Jahr 2014 auf 745'000 im Jahr 2021. Das entspricht 8,7 Prozent der Bevölkerung.

Die Entwicklung gibt Politikerinnen und Politikern weit über das linke Lager hinaus zu denken. Die neuen SP-Parlamentarier Estelle Revaz (34) aus Genf und Simon Stocker (42) aus Schaffhausen fordern die Landesregierung zum Handeln auf. Die Schweiz brauche dringend eine nationale Strategie zur Bekämpfung von Armut, fordern sie in zwei gleichlautenden Vorstössen.

Das Existenzminimum liegt in der Schweiz für eine einzelne Person bei rund 2300 Franken und für eine vierköpfige Familie bei knapp 4000 Franken. Wer mit weniger auskommen muss, gilt aus Sicht des Bundes als arm.

Bund spart bei Armutsbekämpfung

93 Nationalrätinnen und Nationalräte haben die Forderung mitunterzeichnet – fast die Hälfte des Rats also. Nebst vielen Parlamentariern von SP und Grünen unterstützen auch Politikerinnen aus Mitte, GLP, FDP und vereinzelt auch SVPler die Forderung.

Der Bund gibt derzeit pro Jahr 250'000 Franken für Projekte zur Armutsbekämpfung in der Schweiz aus. Deutlich weniger als noch vor einigen Jahren. Ende 2024 läuft das Programm aus. Wie es dann weitergeht, ist noch völlig offen. Der Schaffhauser SP-Ständerat Simon Stocker (42) befürchtet, dass der Bundesrat angesichts der klammen Bundesfinanzen auch hier weiter sparen will.

«Das wäre ein ganz schlechtes Zeichen», findet er. Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden in diesem Bereich funktioniere heute sehr gut. Daran müsse man unbedingt festhalten. Und Revaz doppelt nach: «Der Kampf gegen die Armut bedeutet auch, in den sozialen Zusammenhalt und die Wirtschaft zu investieren.» Sämtliche wissenschaftliche Studien zeigten schliesslich, dass sich das auszahlen würde.

Genaue Zahlen? Gibts (noch) nicht

Konkret fordern Stocker und seine Kollegin Revaz, dass das Programm zur Bekämpfung von Armut mindestens bis 2030 fortgeführt wird – und ausgebaut. Heute hat der Bund vor allem eine Koordinationsfunktion. Nun soll er prüfen, wo er selbst den Hebel ansetzen kann. Stocker denkt beispielsweise an Ergänzungsleistungen für Familien oder Mittel zur Frühförderung von Kindern.

Bisher hat sich der Bundesrat praktisch immer erfolgreich gegen mehr Verantwortung gewehrt. Aus seiner Sicht stehen die Kantone in der Pflicht. Die Regierung sträubte sich schon nur dagegen, mehr Zahlen zur Armut in der Schweiz zu sammeln. Auf nationaler Ebene gibt es heute keine detaillierten Auswertungen – und kantonale Statistiken unterscheiden sich zu stark, als dass man sie miteinander vergleichen könnte. 2020 entschied das Parlament, diese Datenlücke zu stopfen. Erstmals 2025 und künftig alle fünf Jahre muss der Bund ein schweizweites Armutsmonitoring vorlegen.

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