Auf den Brettern die Piste runterkurven, während nebenan ein Windrad surrt? Im Kanton Graubünden sollen bis zu 30 Windparks entstehen – auch in den weltbekannten Skigebieten. Dies schreibt der Umweltverband Freie Landschaft Schweiz in einer Mitteilung.
Der Verband fürchtet eine Komplettüberbauung der Schweiz mit Windrädern und schlägt deshalb Alarm. Er stützt sich dabei auf eine Studie, in der der Kanton Graubünden mögliche Standorte für Windparks evaluieren liess. Und tatsächlich: Von 52 untersuchten Gebieten wurden rund 30 als mehr oder weniger tauglich befunden.
Viele Projekte direkt in Skigebieten
Auf der Liste der möglichen Standorte stehen Namen, die jedem passionierten Skifahrer in der Schweiz ein Begriff sind: Der Crap Sogn Gion bei Flims-Laax steht dort ebenso wie das Jakobshorn bei Davos und das Weisshorn oberhalb Arosa.
Die geeigneten Standorte liegen teilweise mitten in den Skigebieten. Was aus wissenschaftlicher Sicht wenig erstaunt: Der Wind bläst in diesen Höhen gut, die Hänge sind eh schon verbaut und Stromleitungen gibt es auch.
Unesco-Linie mit Windrad-Blick?
Nur: Die Sicht der Touristiker könnte durch Windräder arg in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn ist die Bernina-Linie wirklich noch Unesco-Welterbe-tauglich mit Blick auf Windräder?
Im Tourismuskanton fallen die Reaktionen aber positiv aus. «An Starkstromleitungen, Masten und Seilbahnanlagen hat sich das (touristische) Auge gewöhnt. Ebenso werden wir uns an Windräder und Solarpanels gewöhnen», sagt Marion Schmitz, Sprecherin von Arosa Tourismus.
Nachhaltigkeit und Vertrauen in die Politik
Natürlich haben auch die Tourismus-Destinationen grosses Interesse an schönen und unverbauten Bergen. Sie sehen Windparks allerdings weniger kritisch als Freie Landschaft Schweiz. Im Gegenteil: «Als ganze Ferienregion sind wir sehr auf Nachhaltigkeit bedacht», sagt beispielsweise Roger Kreienbühl, Sprecher der Tourismus-Region Samnaun, Unterengadin und Val Müstair. «Wir unterstützen daher solche Projekte dort, wo sie Sinn machen.» Und eine «Zupflasterung» der bisher unverbauten Natur würde das nicht, stellt Arosa-Sprecherin Schmitz klar. «Eine Platzierung im touristisch ungenutzten Gebiet möchten wir seitens Arosa Tourismus genauestens geprüft haben.»
Auch Andreas Züllig (65), Präsident von Hotelleriersuisse und selbst Hotelier in der Lenzerheide, fände es «wünschenswert, dass die Windpärke an Standorte kommen, wo bereits eine Infrastruktur besteht und eine hohe Effizienz der Kraftwerke gegeben ist». Dabei vertraut er aber voll und ganz auf die Bündner Regierung.
«Eher 19 als 30 Windparks»
Wohl zu Recht: Der Kanton korrigiert die Zahl von 30 Anlagen auf Anfrage von Blick auf 19 bis 25. Denn die Studie sei lediglich eine Standort-Evaluierung – untersucht wurde, wo der Windertrag besonders hoch ist, wo es wenig Schutzgebiete gibt und viel Infrastruktur gibt und wie gross das Kosten-Nutzen-Verhältnis ausfällt. 19 Standorte erhielten dabei die Priorität A und weitere sechs die Priorität B.
Kommt hinzu: Die 400 Gigawattstunden zusätzlichen Strom, die der Kanton mit den Windrädern produzieren will, wäre bereits mit der Hälfte der 19 Priorität-A-Standorte zu erreichen. 30 Windparks werden es also wohl nicht. Und in der kommenden Saison wird sicher noch kein Windrad neben der Piste surren: Zuerst müssen die Gebiete in den kantonalen Richtplan aufgenommen werden.
Dieser ist noch bis Ende Juni in Vernehmlassung, bevor Kantonsregierung und Grosser Rat darüber entscheiden. Noch ist also nichts in Stein gemeisselt. Das sieht auch Graubünden Tourismus so: «Bis jetzt geht es lediglich um eine Evaluierung der Standorte. Wir gehen nicht davon aus, dass alle diese Projekte auch wirklich umgesetzt werden», sagt Sprecher Luzi Bürkli gegenüber Blick.