Auch andere Bauern klagen über Knospe-Bürokratie
Renzo Blumenthal hat genug von Bio

Landwirt und Ex-Mister-Schweiz Renzo Blumenthal beklagt sich über immer strengere Vorschriften für Bio-Betriebe. Er hat die Konsequenz gezogen und ist ausgestiegen. Auch bei andern Bergbauern ist der Unmut gross.
Publiziert: 06.06.2024 um 20:47 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2024 um 01:26 Uhr
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Renzo Blumenthal führt seit 2015 den Hof der Familie in Vella GR.
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Der schönste Landwirt der Schweiz pfeift auf die Knospe. Renzo Blumenthal (47), 2005 zum Mister Schweiz gekürt, führt seit knapp 15 Jahren den väterlichen Betrieb in Vella GR, einem Dörfchen im Val Lumnezia. Vergangenes Jahr traf der Bauer einen folgenschweren Entscheid: Er stieg aus der Bio-Produktion aus. 

All die Bürokratie sei für ihn nicht mehr tragbar gewesen, erklärt Blumenthal in einem Artikel in der «Weltwoche». Für Bergbauern wie ihn sei es praktisch unmöglich, die strengen Auflagen, die Bio mit sich bringt, zu erfüllen. Insbesondere, was das Futter betrifft, das er seinen Milchkühen vorsetzen darf. 

Nur noch Futter aus der Schweiz

Bauern klagen seit vielen Jahren über die zunehmende Zahl an Vorschriften, die dazu führen, dass sie immer mehr Zeit im Büro statt im Stall verbringen. Blumenthal behauptet, dass deswegen immer mehr Bauern das Bio-Label aufgeben würden. 

Der Verband Bio Suisse dementiert dies. Dies seien Einzelfälle, sagt Bio-Präsident Urs Brändli (61). Tatsächlich aber ist die Unzufriedenheit gerade unter Bio-Milchbäuerinnen und -Milchbauern gross – einige von ihnen überlegen sich, wie Blumenthal aus dem Label auszusteigen und konventionell zu produzieren. Grund dafür sind neue Futter-Richtlinien, die seit 2022 gelten.

Das Futter muss zu 100 Prozent aus der Schweiz kommen, nur 5 Prozent davon darf besonders energiereiches Kraftfutter wie zum Beispiel Soja sein. Für Bauern in Bergregionen, wo Ackerbau schwierig ist, ist das schwierig zu erreichen. Die Folge der Verschärfung: Die Produktionsmenge von Biomilch schrumpft.

Wegen breiten Protests einigten sich die Bio-Bauern Ende vergangenen Jahres auf eine Übergangsregelung. Bis 2028 darf das Kraftfutter noch einen Teil ausländisches Soja enthalten. Doch den Bergbauern ist das noch immer zu strikt. 

«Ich hatte keine Freude mehr»

«Es hat für mich einfach nicht mehr gestimmt», sagt Renzo Blumenthal zu Blick. «Ich hatte keine Freude mehr an dem, was ich getan habe.» Freude bereitet Blumenthal vor allem die Viehzucht. Seine Kuh Berna ist an der Braunvieh-Europameisterschaft jüngst zur Eutersiegerin gekürt worden. 

Doch für pralle Euter braucht es das richtige Futter. «Wenn man Züchter-Ambitionen hat, lässt sich das immer schwerer mit den Vorschriften vereinbaren», sagt Bio-Suisse-Präsident Brändli. Dennoch steht er hinter der Verschärfung: «Ich bin überzeugt, dass diese Richtlinien richtig und wichtig sind.»

Blumenthals Kunden haben Verständnis

Für die Milchbauern in Bergregionen heisst das, dass sie sich arrangieren müssen. «Einige werden aussteigen, damit müssen wir leben», sagt Claudio Gregori (64), Präsident von Bio Grischun. Man müsse aber bedenken, dass dies auch Käsereien und Alpen betrifft. «Steigt in einer Genossenschaft oder bei einer Käserei ein Betrieb aus Bio aus, muss die ganze Milch, auch von anderen Betrieben, deklassiert werden.»

Bauer Blumenthal vermarktet seine Produkte direkt über seinen Hofladen. Seine Kundinnen und Kunden könnten seinen Entscheid, nicht mehr Bio zu produzieren, mehrheitlich nachvollziehen, sagt er. Die Qualität der Blumenthaler Trockenwurst oder des Alpkäses sei schliesslich gleich geblieben. «Es ist einfach kein Label mehr drauf.»

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