Sollen bald nur noch Geimpfte, Genesene und Getestete ins Restaurant, Fitnesszentrum oder Museum gehen dürfen? Für die SVP kommt das unter keinen Umständen infrage. Während die meisten Kantone eine Ausweitung der Zertifikatspflicht im Notfall begrüssen, geht die grösste Schweizer Partei gegen die Pläne des Bundesrats auf die Barrikaden.
Sie präsentiert einen Alternativplan, mit der eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindert werden soll. Die Kernforderung darin: Statt die Zertifikatspflicht auszuweiten sollen die Intensivbetten aufgestockt werden. Von heute rund 830 Betten auf 1200 bis 1300 Stück. Das sei «zielführender und letztlich unter dem Strich günstiger», findet die SVP.
Partei kritisiert fehlende Ausbildungsoffensive
Wie genau das passieren soll, lässt die Partei vorderhand offen. Immer und immer wieder haben Exponentinnen und Exponenten des Gesundheitswesens in den vergangenen Monaten klargemacht, dass das Problem nicht die fehlende Betten oder Beatmungsgeräte sei, sondern Engpässe beim Fachpersonal.
Die SVP kritisiert, dass Bund und Kantone in den letzten anderthalb Jahren Corona-Pandemie kaum Ausbildungsoffensiven gestartet hätten, «um die Personalsituation im Gesundheitswesen zu entspannen». «Ich nehme nicht wahr, dass da wirklich Anstrengungen gemacht wurden», sagt die St. Galler SVP-Nationalrätin Esther Friedli (44).
Der Kanton Zürich bietet seit vergangenem Jahr als einziger Kanton eine Art Schnellbleiche an für Pflegerinnen und Pfleger, damit sie die Fachkräfte auf der Intensivstation unterstützen können. Eine reguläre Weiterbildung zur Expertin Intensivpflege dauert jedoch zwei Jahre.
So einfach ist es nicht
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist allerdings schon lange ein Problem. Tiefe Löhne und happige Arbeitsbedingungen machen den Pflegeberuf zu allem anderen als einem Traumjob. Ein Drittel des Pflegepersonals stammt aus dem Ausland. SVP-Nationalrat Andreas Glarner (58) forderte jüngst, noch mehr ausländische Fachkräfte zu holen. Ein Vorschlag, der von Expertinnen zerzaust wurde.
Doch egal, ob mit mehr ausländischen Fachkräften oder einer Ausbildungsoffensive im Inland: Kurzfristig ändert sich damit am Personalproblem in den Spitälern nichts. Mehrere grosse Spitäler sind bereits jetzt am Anschlag und müssen Operationen verschieben und Patienten verlegen.
Wie will die SVP da Abhilfe schaffen? Wie soll die Zahl der Intensivbetten konkret erhöht werden? Darauf angesprochen, spielt SVP-Nationalrätin Friedli den Ball weiter. «Da sind die Kantone gefordert.» Friedli kann sich vorstellen, dass notfalls «auch Armeeangehörige wieder in Spitälern zum Einsatz kommen». Auf der Intensivstation können sie aber nicht aushelfen.
SVP macht sich für mobile Impfequipen stark
Die SVP plädiert ausserdem dafür, mehr dezentrale Impfmöglichkeiten zu schaffen, damit auch die Bevölkerung auf dem Land einfacher zum Piks kommt – beziehungsweise der Piks zu ihr. «Im Toggenburg muss man teilweise 45 Minuten Autofahren, um zu einem Impfzentrum zu kommen – und Spontanimpfungen sind nur am Montag möglich», stellt Friedli fest.
Zudem wiederholt die Rechtspartei die Forderung, das Corona-Regime an den Grenzen wieder hinaufzufahren. Es müsse verhindert werden, dass infizierte Reiserückkehrer das Virus «so ungehindert einschleppen können, wie dies letzten und diesen Sommer der Fall war».
Diese Forderung wird auch vonseiten zahlreicher Kantone laut. Konkret wird beispielsweise die Wiedereinführung einer Einreisequarantäne gefordert. Gesundheitsminister Alain Berset (49) hat bereits angekündigt, dass die Landesregierung dies im Hinblick auf die Herbstferien prüfen werde. Gut möglich, dass der Bundesrat morgen entsprechende Verschärfungen vorstellt. (lha)