Antworten zur neuen Schutzstatus-Regelung
Bundesrat muss Regeln für Ukrainer verschärfen – aber wie?

Das Parlament will verschärfen, der Bundesrat muss zuerst prüfen: Wie soll beim Schutzstatus S definiert werden, wer ihn noch erhalten darf? Und was passiert mit den abgelehnten Ukraine-Flüchtlingen? Blick erklärt die wichtigsten Fragen.
Publiziert: 03.12.2024 um 20:24 Uhr
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Aktualisiert: 09:15 Uhr
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Asylminister Beat Jans wehrte sich erfolglos gegen die Beschränkung des Schutzstatus S.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Parlament will Schutzstatus S für Ukraine-Flüchtlinge einschränken. Umsetzung noch unklar
  • Keine sicheren Gebiete in der Ukraine laut Asylminister Beat Jans
  • Über 4 Millionen Ukraine-Flüchtlinge in Europa, Hälfte in Deutschland und Polen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Wenn es nach dem Parlament geht, soll es bald vorbei sein mit dem Schutzstatus S für alle Ukraine-Flüchtlinge. Nach dem Ständerat entschied diese Woche auch der Nationalrat: Den Schutzstatus sollen nur noch Ukrainerinnen und Ukrainer erhalten, die aus bestimmten Gebieten stammen. Nämlich solche, «die ganz oder teilweise durch Russland besetzt sind oder in denen mehr oder weniger intensive Kampfhandlungen stattfinden».

Weshalb wurde verschärft?

Der Entscheid geht auf eine Motion der St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli (47) zurück. Sie forderte die geografische Beschränkung jedoch auch für Personen, die den Schutzstatus in der Schweiz bereits erhalten haben. Er solle ihnen wieder aberkannt werden. Auch wollte Friedli den Schutzstatus für Nicht-Ukrainer aufheben – ausgenommen von der Ukraine anerkannte Flüchtlinge. Diese zwei weiteren Punkte lehnte der Nationalrat – anders als die kleine Kammer – aber deutlich ab.

Auf wann wird die neue Regelung umgesetzt?

Der Schutzstatus S wurde 1998 im Asylgesetz festgehalten. Ob und nach welchen Kriterien Schutzbedürftigen vorübergehender Schutz gewährt wird, ist Sache des Bundesrates. Wann er der nun verabschiedeten Motion Rechnung tragen wird, sei aber noch nicht klar, teilt das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage mit. Zuerst müsse das SEM prüfen, wie das Vorhaben umgesetzt werden soll.

Auf Gebiete beschränken – geht das überhaupt?

Wo herrscht in der Ukraine überall Krieg? Und welche Gebiete gelten als sicher? Das sind die grossen Fragen, mit denen sich das SEM und der Bundesrat beschäftigen müssen. Asylminister Beat Jans (60) stellte bereits in der Nationalratsdebatte klar: «Es gibt keine sicheren Gebiete in der Ukraine.» So komme es auch weit entfernt von der Kriegsfront immer wieder zu russischen Angriffen. Auch für das SEM sei es fraglich, ob eine Differenzierung nach Regionen «angesichts der volatilen Sicherheitslage und des ungewissen Ausgangs des Krieges» nachhaltig wäre.

Was passiert mit abgelehnten Ukrainerinnen und Ukrainern?

Kein Anspruch auf den Schutzstatus heisst für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer nicht automatisch, dass sie wieder zurückmüssen. Ihnen steht es anschliessend zu, ein reguläres Asylgesuch zu stellen. Gemäss Bundesgesetz ist eine vorläufige Aufnahme jedoch nur möglich, wenn Geflüchtete beispielsweise durch Kriege oder allgemeine Gewalt im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind. Sonst droht eine Wegweisung.

Solche Anträge müssten daher im Einzelfall geprüft werden, schreibt das SEM. Ob die Einschränkung des Schutzstatus zu mehr vorläufig Aufgenommenen führen könnte, beantwortet das Staatssekretariat nicht.

Wie unterscheidet sich die vorläufige Aufnahme vom Schutzstatus?

Für den Bund kommt der Schutzstatus eigentlich günstiger: Anders als bei anderen Flüchtlingen muss er den Kantonen keine Integrationspauschale von 18’000 Franken pro Person überweisen. Stattdessen zahlt er pro Fall lediglich eine Sprachpauschale von 3000 Franken, die die berufliche Integration erleichtern soll.

Zudem muss der Status S anders als eine vorläufige Aufnahme jährlich erneuert werden. Nach fünf Jahren Aufenthalt gibt es eine Aufenthaltsbewilligung, die jedoch nur bis zur grundsätzlichen Aufhebung des Schutzstatus befristet ist. Erst dann ist es Menschen mit Status S überhaupt erlaubt, ein Asylverfahren zu beantragen. Einzige Ausnahme: Wenn eine «offensichtliche Verfolgung» besteht, gibt es bereits früher Asyl.

Was tun andere Länder in Europa?

Als erstes europäisches Land verschärfte jedoch Norwegen – wie die Schweiz nicht EU-Mitglied – bereits im Oktober seinen Schutzstatus. So müssen Flüchtlinge aus gewissen Gebieten im Westen der Ukraine nun individuell ein Asylgesuch stellen.

Auch die EU kennt aufgrund des Balkan-Krieges einen «vorübergehenden Schutz». Diesen aktivierte sie wie die Schweiz im März 2022 für Flüchtlinge aus der Ukraine. Zuletzt wurde sie bis zum 4. März 2026 verlängert.

Mittlerweile sind über vier Millionen Geflüchtete registriert – mehr als die Hälfte davon leben in Deutschland und Polen. Kein Wunder also, dass die Debatte um die Solidarität mit Ukraine-Flüchtlingen vor allem in diesen beiden Ländern aufflammt. In Deutschland kündigten die konservativen Parteien CDU und CSU bereits an, die Sozialleistungen für Ukrainerinnen und Ukrainer zu kürzen, sollten sie bei den kommenden Wahlen gewinnen.

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