Angst vor dem Pflegedienst
Spitex soll Impfpflicht einführen

Mit der Spitex kommt das Corona-Virus in die Wohnung. Davor fürchten sich viele, die auf den Hauspflegedienst angewiesen sind. Sie verlangen, eine Pflege durch Geimpfte. Doch das wird ihnen verwehrt. Eine Zertifikats- oder gar Impfpflicht soll Abhilfe schaffen.
Publiziert: 07.10.2021 um 14:56 Uhr
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Während sich auch immer mehr Junge impfen lassen, ist das Spitex-Personal teilweise nicht geimpft.
Foto: Keystone

Für die Spitex hat die Gesundheit der Personen, die sie betreut, nicht immer oberste Priorität. Das musste eine Frau erfahren, die die «Neue Zürcher Zeitung» in ihrem Artikel Martina Zumstein nennt. Die Mittvierzigerin leide am chronischen Erschöpfungssyndrom, das so kräftezehrend ist, dass sie fast den ganzen Tag im Bett liegen müsse – seit über zwei Jahren.

Zudem leidet die Frau unter Vorerkankungen, die dazu führen, dass eine Corona-Ansteckung trotz Impfung gravierend verlaufen könnte. Darum macht Zumstein alles Mögliche, um eine Infektion zu verhindern. Aber dennoch musste sie das «Risiko täglich in ihre Wohnung hereinlassen: die Personen, die sie pflegen, die sie waschen, die ihr den Haushalt besorgen und für sie kochen», so die «NZZ».

Spitex verweigert geimpfte Haushaltshilfe

Wie Zumstein herausfand, war eine Haushaltshilfe der Spitex ungeimpft, weshalb sie um eine geimpfte Hilfe bat. Doch ihr wurde mitgeteilt, das komme nicht infrage. Man gab ihr zu verstehen, sie hätte die Haushaltshilfe gar nicht erst nach ihrem Impfstatus fragen dürfen. Stattdessen verwies der Haushaltsdienst auf die vorhandenen Schutzkonzepte und darauf, dass die Person, die für Zumstein kochte, sich ja in einem anderen Raum aufhalte. Dabei muss Zumstein das Essen ans Bett gebracht werden und natürlich ist es unmöglich, bei der Körperpflege Abstand zu halten.

Zumstein ist kein Einzellfall, gerade Senioren haben oft Angst vor dem Spitex-Personal. So stellt sich grundsätzlich die Frage: Dürfen Spitex-Patienten darauf pochen, dass nur geimpftes Personal in ihre eigenen vier Wände kommt? Ja, ist die Meinung der auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsprofessorin Isabelle Wildhaber von der Uni St. Gallen. Letztlich würden zwar erst Gerichtsfälle für Klärung sorgen, aber die Juristin ist der Ansicht, betreute Patienten oder deren Familien könnten verlangen, dass die Pflegegenden über ein Covid-Zertifikat verfügen, also entweder genesen, geimpft oder getestet sind. Und sie geht davon aus, dass die Klienten ein Recht darauf haben, eine ungeimpfte Betreuungsperson abzulehnen. Die Spitex muss dem Patientenschutz somit einen höheren Stellenwert einräumen.

Impfpflicht für Spitexpersonal

Tatsächlich passiert das auch schon: Die Genfer Spitex stellt seit Anfang Monat nur noch Geimpfte ein. Und Wildhaber hält auch eine Impfpflicht für bestehendes Personal für sachlich begründet, weil es sich bei Betreuungspersonen um eine exponierte Arbeitnehmergruppe handelt, die einen intensiven Kontakt zu besonders gefährdeten Personen habe und ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für ihre Klienten darstelle.

Und verstösst eine Angestellte im Gesundheitswesen gegen die Impfpflicht, drohen ihr drastische Schritte: Die Rechtsprofessorin verweist auf ein Urteil des St. Galler Verwaltungsgerichts. Dieses beurteilte die Kündigung einer Spitalangestellten, die sich nicht gegen Hepatitis B impfen lassen wollte, als rechtens.

Pro Senectute will Zertifikatspflicht

Druck auf die Spitex kommt auch von der Seniorenorganisation Pro Senectute Schweiz: Leute, die Pflege zu Hause brauchten, seien das schwächste Glied in der Kette und abhängig von ihren Betreuungspersonen, betont Sprecher Peter Burri Follath. Pro Senectute wünsche sich, dass die Spitex-Unternehmen zumindest eine Zertifikatspflicht bei ihren Mitarbeitern einführen.

Der stellvertretende Geschäftsführer von Spitex Schweiz, wehrt sich, der Verband fordere ja, dass sich Spitex-Mitarbeitende impfen lassen oder, falls sie das nicht wollen, regelmässig testen liessen.

Zumstein hatte Glück

Für Risikopatientin Zumstein hat man laut der «NZZ» inzwischen eine befriedigende Lösung gefunden. Dieses Glück haben längst nicht alle Personen, die auf die Spitex angewiesen sind. (pt)

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