Hooligans zünden Pyros und schlagen sich die Köpfe ein. Keine Seltenheit bei Spielen der höchsten Schweizer Fussballiga. Um das zu verhindern, ist seit 2012 das Hooligan-Konkordat in Kraft. Dieses enthält Massnahmen, die Behörden ergreifen können, um die Gewalt einzudämmen. Doch nun zeigt eine Untersuchung der Universität Bern für den Zeitraum 2015 bis 2019: Die Anzahl Fussballspiele mit gewaltsamen Ereignissen blieb relativ stabil.
Mit anderen Worten: Das Hooligan-Konkordat zeigt kaum Wirkung. Für die Evaluation haben die Forschenden an die 100 Experten befragt, darunter Fanarbeiter, Vertreter der Clubs, Politikerinnen, Polizisten und Staatsanwältinnen. Fast die Hälfte (43 Prozent) findet, die Situation hätte sich nicht verbessert.
Die Hooligans lassen die Behörden nicht in Ruhe
Als besonders unwirksam betrachten die Befragten das Verbot von Fahnen, Transparenten und Alkohol sowie eine Sitzpflicht in Stadien. Etwas effektiver beurteilen sie Rayonverbote. Diese untersagen den Aufenthalt in einem vordefinierten Gebiet bei Sportveranstaltungen. Bloss: Solche lassen sich nur schwer kontrollieren, da die sanktionierten Personen meist nicht erkannt werden.
Drei Jahre lang kein Verbot – trotz Vergehen
Deshalb haben sich alle befragten Gruppen – bis auf die Fanarbeiter – für mehr Meldeauflagen ausgesprochen. Wird ein Fan mit dieser Massnahme sanktioniert, muss er sich zu bestimmten Zeiten auf einem Polizeiposten melden. Dadurch soll er vom Randalieren abgehalten werden. Allerdings zeigt diese Massnahme primär bei Auswärtsspielen Wirkung. Denn bei Heimspielen befindet sich der Polizeiposten oft in unmittelbarer Nähe der Stadien.
Zudem dauert es im Schnitt lange, bis eine Massnahme verfügt wird. Beim Rayonverbot sind es durchschnittlich 168 Tage, bei den Meldeauflagen 203. Ein Fan ist sogar über drei Jahre ungeschoren davon gekommen, bis ihm die Behörden nach 1165 Tagen ein Rayonverbot auferlegt haben. Als Grund für die lange Dauer nennt der Bericht eine aufwendige Identifikation, aber auch eine niedrige Priorisierung vonseiten Polizei.
Weiter kritisiert der Bericht den Kantönligeist. Denn je nach Austragungsort würden die Behörden unterschiedliche Massnahmen ergreifen. Und das, obwohl das Hooligan-Konkordat zu einem standardisierten Umgang hätte führen sollen. Das sei Rechtsungleichheit, schreiben die Forschenden und empfehlen juristische Abklärungen.
Gewalt in Zügen und Bahnhöfen
Da sich das Hooligan-Konkordat auf die Gewalt in Stadien fokussiert, hat sich das Geschehen auf ausserhalb verschoben. Nun kommt es insbesondere auf dem Weg zu den Fussballspielen zu Zusammenstössen – also physischer Gewalt in Zügen und an Bahnhöfe. Dazu gehören auch Sachbeschädigungen und das Werfen von Gegenständen.
Das zeigt: Die Gewalt hat nicht abgenommen, sondern sich verlagert. Zwar seien die Behörden durch das Hooligan-Konkordat gestärkt worden, heisst es im Bericht. Aber zugleich habe sich das Verhältnis zu den Fans verschlechtert. Diese kritisieren unter anderem die Vermischung von Tatbeständen, da bereits Pyros als gewalttätiges Verhalten gelten.
Daher machen die Forschenden einen ungewöhnlichen Vorschlag: Pyros nicht mehr als Gewaltakt zu definieren, wenn sie als Stilmittel verwendet werden. Das könnte die angespannte Lage zwischen Behörden und Hooligans etwas beruhigen. Doch letztlich fordern die meisten Befragten eine stärkere Überwachung. Dies mittels ID-Pflicht beim Ticketkauf und Kameras in Stadien. Das mag bei Matches helfen. Aber das neue Hauptproblem bliebe bestehen: die Gewalt ausserhalb der Stadien. (rba)