Alkoholverbot in Stadien: Kantone schwingen den Drohhammer
Bier gibts nur auf Bewährung

Der Bundesrat hat Gesundheitsminister Alain Berset beim Alkoholverbot zurückgepfiffen. Die Verantwortung liegt nun bei den Kantonen. Diese wollen den Sportfans eine Chance geben, heben aber bereits den Warnfinger.
Publiziert: 03.09.2020 um 23:19 Uhr
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Bundesrat Alain Berset wollte ein generelles Alkoholverbot in den Sportstadien – kam damit aber nicht durch.
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer und Daniel Ballmer

SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) drängte im Bundesrat auf ein generelles Alkoholverbot in den Sportstadien, wurde von den Kollegen aber zurückgepfiffen.

Jetzt überlässt er den Kantonen die Verantwortung. Diese können den Alkoholverkauf einschränken – oder gar ganz verbieten, wenn die Schutzkonzepte sonst nicht eingehalten werden können. «Ich kann mit dieser Lösung gut leben», so Berset.

Verschiedene Kantone hatten sich eigentlich für ein Alkoholverbot starkgemacht. Doch jetzt ist die heisse Kartoffel wieder in ihren Händen – und sie halten sich vorerst zurück, wie eine Umfrage zeigt.

Der Tenor: Bier gibts nur auf Bewährung! Überborden die Sportsfans, droht doch noch ein Alkoholverbot.

Eine Chance geben

«Alkoholgenuss in Stadien ist an sich kein neues Thema für die Kantone. Sie kennen diese Situation bereits», sagt der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (45) zu BLICK. Er hätte lieber eine härtere Gangart gehabt. Der Basler appelliert daher an die «Vernunft und die Mitarbeit des Publikums». Für ihn ist klar: «Es braucht die Mitwirkung aller, die Veranstaltungen organisieren oder besuchen. Wir müssen dem nun eine Chance geben.»

Auch Genf gewährt den Sportfans eine Gnadenfrist. «Ein absolutes Verbot, einschliesslich beispielsweise Bier, wäre in den allermeisten Situationen unverhältnismässig», sagt Regierungsrat Mauro Poggia (61). Der Kanton wird seine Entscheidungen in Abhängigkeit der epidemiologischen Situation und der Besonderheiten des Anlasses treffen. «Es wird aber kein allgemeines Verbot geben.» Doch er hebt auch gleich den Warnfinger: Sollten Exzesse sowie undiszipliniertes Verhalten und damit steigende Risiken ersichtlich sein, werde er für ein Alkoholverbot plädieren.

Ähnlich tönt es in der Südostschweiz. «Alkohol ist grundsätzlich erlaubt, für ein kantonales Verbot spricht derzeit nichts», so der Bündner SP-Gesundheitsdirektor Peter Peyer. Man müsse zuerst einmal schauen, wie sich die neuen Bestimmungen bewährten. «In der Pflicht sind die Veranstalter und natürlich auch die Fans selbst», betont er. «Sie haben es mit ihrem Verhalten auch selbst in der Hand.»

Bern: «Wir schreiten ein, wenn nötig»

Auch im Kanton Bern geht man davon aus, «dass die Vereine und Organisatoren den Ernst der Situation und die Botschaften verstanden haben», sagt Gundekar Giebel von der Gesundheitsdirektion. Doch man steht Gewehr bei Fuss. «Wir werden die Entwicklung sehr genau verfolgen und schreiten ein, wenn es nötig werden sollte.»

Der Kanton Luzern will die neue Ausgangslage genau analysieren. «In den Luzerner Stadien soll es – zumindest vorläufig – kein Alkoholverbot geben», sagt CVP-Gesundheitsdirektor Guido Graf (62). Letztlich sei dies aber der Entscheid der Veranstalter, die dafür auch die Verantwortung übernehmen würden. Der Kanton will die Entwicklung aber im Auge behalten. Graf macht klar: «Sollte sich der vorläufige Verzicht auf ein Alkoholverbot nicht bewähren, so besteht zu jeder Zeit die Möglichkeit, ein Alkoholverbot in den Stadien einzuführen.»

Aargau wollte Alkoholverbot

Offen für ein allgemeines Alkoholverbot hatte sich im Vorfeld der Kanton Aargau ausgesprochen. «Wir werden aber auch mit der vorgeschlagenen Lösung einen Umgang finden», sagt Michel Hassler, Sprecher des Gesundheitsdepartements. Was die Bewilligung von Sportanlässen betrifft, sagt er: «Der Ausschank von Alkohol oder dessen Verbot werden situativ beurteilt und fliessen in die Entscheidungsfindung mit ein.»

Auch im Kanton Zürich hängt die Alkohol-Thematik von der jeweiligen Risikoanalyse ab.

Mit föderaler Lösung zufrieden

Für eine föderale Lösung hatte sich Appenzell Ausserrhoden eingesetzt. Mit der jetzigen Lösung ist man zufrieden. «Wir werden situativ und einzelfallweise im Rahmen der Prüfung der Gesuche und Schutzkonzepte über solche Fragen entscheiden», heisst es zum Alkoholverbot.

Auch in Zug ist man zufrieden. «So können die lokalen Gegebenheiten jeweils in einen Entscheid mit einfliessen», erklärt die Gesundheitsdirektion. «Ein grundsätzliches Alkoholverbot ist im Kanton Zug bisher nicht geplant.»

Im Thurgau sind vorerst «keine zusätzlichen Einschränkungen» geplant. Aber: «Ein allfälliger Alkoholkonsum darf die Umsetzung der geforderten Schutzkonzepte nicht gefährden», so die Staatskanzlei. «Es ist dem Kanton Thurgau wichtig, dass diese Konzepte einwandfrei umgesetzt werden können.»

Taskforce im Wallis

Für andere Kantone wiederum stellt sich die Frage kaum, weil sie gar keine grossen Stadien oder nationalen Sportklubs beheimaten – so sehen sich etwa Appenzell Innerrhoden, Baselland oder Glarus nicht von der Alkoholfrage betroffen.

Andere Kantone – wie etwa Waadt, St. Gallen, Solothurn oder Obwalden – wollen die neue Ausgangslage zuerst analysieren, bevor sie sich zur Alkoholfrage äussern. Der Kanton Wallis hat zur Lageanalyse sogar extra eine Taskforce eingesetzt. Ein Alkoholverbot dürfte im Weisswein-Kanton aber kaum ein ernsthaftes Thema werden.

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