Nachdem der Blick aufgedeckt hat, dass der FDP-Nationalrat Christian Lüscher (58) in einem Whatsapp-Chat der frankofonen FDP im Bundeshaus derbe Sprüche klopfte, brodelt es bei den Freisinnigen.
Vor allem auch dass Parteichef Thierry Burkart (46) nur sagte, dass er das Verhalten Lüschers nicht bewerten wolle, stösst bei Frauen in der Partei sauer auf. «Von den Chat-Nachrichten war ich nicht sonderlich überrascht, von der Haltung des Parteichefs dagegen schon», sagt eine Freisinnige zu Blick.
Darf nicht geduldet werden
Sie werde sich sicher in einem E-Mail an den Parteipräsidenten wenden, kündigt eine weitere FDP-Frau an: «Ein solches Verhalten darf in der Partei doch nicht geduldet werden.»
Lüscher hatte beispielsweise Ständerätin Johanna Gapany (33) und Nationalrätin Simone de Montmollin (53) im Chat gefragt, ob sie von der Tradition wüssten, «dass die neu gewählten FDP-Frauen am Tag der Vereidigung nackt in die Aare springen und bis zum Bärengraben schwimmen». Ebenso hat er den FDP-Vizechef Philippe Nantermod (38) aufgefordert, Kinder «von den Weibchen hüten zu lassen, wie bei allen Säugetieren». Einem ehemaligen FDP-Nationalrat gab er einen wegen dessen nordafrikanischer Herkunft heiklen Spitznamen.
Frauen beschweren sich
Burkart hat es laut Aussage einer weiteren FDP-Politikerin bislang verpasst klarzumachen, dass in der FDP für Sexismus und Rassismus kein Platz ist. Sie hätte zudem erwartet, dass Burkart ankündigt, man werde die Angelegenheit intern mit Lüscher klären – so wie das in den Parteien in solchen Fällen normalerweise geschehe.
Gegenüber der «Samstagsrundschau» von Radio SRF sagte der Präsident aber, es handle sich um einen «Chat unter Freunden und Kolleginnen und Kollegen». Viele Menschen hätten solche Chats mit ihren Freunden, «bei denen man nicht immer wissen möchte, was drinsteht». Damit nimmt Burkart Lüscher in Schutz. Es bleibt aber weiterhin unklar, ob die Parteispitze Lüschers Entgleisungen einfach so hinnimmt oder nicht.
In den Aussagen der Parteimitglieder schwingt viel Sorge ums öffentliche Ansehen der FDP mit – und Angst: denn dass die freisinnigen Frauen, die ihren Parteipräsidenten kritisieren, nicht mit Namen hinstehen wollen, ist verständlich. Schliesslich hatte Burkart bereits «harte Konsequenzen» angekündigt – allerdings nicht etwa gegen Lüscher und im Kampf gegen Sexismus, sondern gegen diejenige Person, die die Chat-Verläufe an den Blick weitergegeben hat.
Danebenbenehmen darf man sich in der FDP offensichtlich, darüber reden aber nicht.
Kritik auf Twitter
In der Öffentlichkeit gibt die Affäre Lüscher allerdings zu reden. So mehren sich auf Twitter die Stimmen, die FDP-Chef Burkart kritisieren, weil er den Eindruck vermittelt, Sexismus und Rassismus würden im Freisinn geduldet.
In diese Diskussion schalten sich auch besorgte Männer ein. So schreibt der ehemalige Chefredaktor des «St. Galler Tagblatts», Philipp Landmark, stellvertretend für andere: Als Teil des FDP-Fussvolks wünsche er sich, dass der Fokus auf den unterirdischen Aussagen von Christian Lüscher liegen würde und nicht darauf, wer sie publik gemacht hat.
Weder Parteichef Thierry Burkart noch FDP-Frauen-Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (55) waren am Montag für Blick erreichbar.