Die Warnung kam am Donnerstagmorgen. Sie lautete: In den vergangenen zwei Jahren haben Schweizer Gletscher zehn Prozent ihres Eises verloren. Das doppelte Volumen des Bielersees ist damit verschwunden. Mitschuld daran hat auch der Klimawandel. Um diesen zu stoppen, behandelte der Ständerat just am Donnerstag das CO2-Gesetz. Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, seit die Schweiz ein Update davon abgelehnt hat.
Jetzt kommt ein neuer Anlauf – und zwar äusserst zahm. Keine höheren Abgaben, keine Verbote, dafür mehr Geld für Gebäudesanierungen oder mehr Ladestationen waren geplant. Alles, um ein erneutes Nein zu verhindern.
Klimaschutz im Parlament
Doch auch die zahme Vorlage stutzt der Ständerat zusammen. Zum Beispiel will er keine zusätzliche Förderung der Ladestationen für Elektroautos bei Mehrfamilienhäusern. Von mehr Massnahmen im Inland will er nichts wissen. Und auch ein Vorstoss der Grünen-Ständerätin Lisa Mazzone (35) für eine Flugticketabgabe für Privatjets bleibt chancenlos.
ETH-Klimaforscher Reto Knutti (50) kritisiert die Entscheide. «Die Signale, die der Ständerat sendet, sind äusserst problematisch.» Für ihn ist klar: «Mit diesen Massnahmen werden wir die Klimaziele langfristig nicht erreichen. So ist das Gesetz ungenügend.»
Knutti sieht besonders das Inlandsziel kritisch. Der Ständerat will die Ziele zu zwei Dritteln mit Massnahmen im Inland erreichen. Für den Rest werden Klimaschutzzertifikate im Ausland aufgekauft. «Damit lässt man Tür und Tor offen, nichts selbst zu machen und sich dafür im Ausland von der Schuld freizukaufen.» Knutti sieht Auslandskompensationen kritisch. «Der Nutzen solcher Projekte für das Klima ist sehr schwer messbar.» Der wirtschaftliche Nutzen wäre gemäss Knutti grösser, wenn die Schweiz im eigenen Land in Innovation und den Umbau der Infrastruktur investiere.
Für Knutti sind Lenkungsabgaben kein Tabu
Noch gäbe es Chancen, das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Doch dafür brauche es griffigere Massnahmen. Auch neue Lenkungsabgaben sind für Knutti kein Tabu. «Vor zwei Jahren wurden die Lenkungsabgaben schlecht erklärt. Studien zeigen, dass sie mit vollständiger Rückverteilung mehrheitsfähig sein können, wenn sie verstanden werden.» Bei einer Lenkungsabgabe bezahlt man für den CO2-Ausstoss – bekommt aber das Geld danach pro Kopf wieder zurück. Wer weniger CO2 verbraucht, kann am Ende sogar Geld gewinnen.
In der Schweiz gibt es bereits jetzt eine Lenkungsabgabe auf CO2. Doch auch weitere Subventionen sind für Knutti denkbar. Auch die Förderung von Ladestationen für Elektroautos oder die Beimischung von nachhaltigem Kerosin befürwortet er.
Nahe am Bundesrat
Der Bündner FDP-Ständerat Martin Schmid (54) wehrt sich gegen die Kritik. Die Entscheide des Rates seien nahe am Entwurf des Bundesrates. «Ein schärferes CO2-Gesetz wurde vom Volk abgelehnt.» Das Gesetz gehe so in die richtige Richtung. Auch der Markt werde in den kommenden Jahren Fortschritte machen und so dafür sorgen, dass die Klimaziele erreicht werden.
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GLP-Präsident Jürg Grossen (54) ärgert sich hingegen. «Die kleine Kammer hat den Kompass leider zum Schluss der Legislatur etwas verloren und die Hausaufgaben nicht sauber gemacht.» Ihn ärgert insbesondere die fehlende Unterstützung für die E-Autos. «Das wirft uns bei der Umstellung auf die Elektromobilität weiter zurück.» Grossen befürchtet, dass viele E-Autobesitzer keinen Zugang zu Ladeinfrastruktur zu Hause erhalten. «Dadurch wird für sie der Umstieg auf Elektroautos erschwert oder verunmöglicht, das muss der Nationalrat unbedingt korrigieren.»
Schmid glaubt nicht, dass die E-Autos wegen des Ständerats weniger populär werden. «Das Elektroauto wird kommen, dafür sorgen die Fahrzeughersteller, die solche anbieten.» (bro)