Zu viele Schnäppli-Bauern kaufen ennet der Grenze günstige Felder
Deutsche Politiker wollen «Schweizer Landnahme» stoppen

Schweizer Bauern kaufen günstig Land im deutschen Grenzgebiet – und bringen ihre Ernte zollfrei in die Schweiz. Ein spezielles Abkommen machts möglich. Deutsche Parlamentarierinnen erklären Blick, wie sie dem nun einen Riegel vorschieben wollen.
Publiziert: 17.01.2025 um 14:22 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2025 um 15:20 Uhr
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Sabine Hartmann-Müller (CDU), baden-württembergische Landtagsabgeordnete: «Die Wut der deutschen Landwirte wird nicht weniger!»
Foto: zvg

Auf einen Blick

  • Schweizer Bauern kaufen deutsches Ackerland und profitieren von vorteilhaften Bedingungen
  • Deutsche Politiker wollen Grenzen setzen und fordern Anpassung eines alten Abkommens
  • Schweizerinnen und Schweizer bewirtschaften über 5700 Hektar in der deutschen Nachbarschaft
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Ein altes Abkommen sorgt für dicke Luft jenseits der Grenze: Schweizer Bauern und Bäuerinnen kaufen deutsches Ackerland und profitieren von vorteilhaften Bedingungen – während ihre Kollegen im Nachbarland das Nachsehen haben. Seit 1958 dürfen Landwirtinnen beider Länder Waren aus einem zehn Kilometer breiten Grenzstreifen zollfrei ins eigene Land bringen und dort verkaufen.

Heute profitieren jedoch fast nur die Schweizerinnen und Schweizer davon. Der Grund: Das Preisgefälle zwischen den beiden Ländern ist gross. Gemüse und Getreide lassen sich in der Schweiz zu deutlich höheren Preisen verkaufen. Gleichzeitig sind die Äcker in Deutschland für Schweizer Bauern dank ihren höheren Einkommen leichter erschwinglich. Hinzu kommen spezielle Regeln für den Marktzugang.

Die Folge: Schweizer Schnäppchen-Bäuerinnen können ihr Gemüse in Deutschland zu niedrigeren Produktionskosten anbauen, es zollfrei in die Schweiz importieren und hier zu deutlich höheren Preisen verkaufen. Umgekehrt lohnt es sich für ihre deutschen Kollegen kaum, Flächen in der Schweiz zu bewirtschaften.

Mittlerweile bewirtschaften die Schweizer Bauern über 5700 Hektar in der deutschen Nachbarschaft. Für diese Entwicklung hat sich in Süddeutschland der wenig charmante Begriff «Schweizer Landnahme» eingebürgert.

Die Wut der deutschen Bauern

Den deutschen Politikerinnen reicht es jetzt: Sie wollen den Schweizern Grenzen setzen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner (38) und seine Parteikollegin Sabine Hartmann-Müller (62), Mitglied des baden-württembergischen Landtags, nehmen das Thema in Angriff. Schreiner plant, es als Vorsitzender der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe erneut auf die Agenda zu setzen, während Hartmann-Müller regional Druck macht.

Besonders betroffen ist etwa Stühlingen an der Grenze zum Kanton Schaffhausen. Erst kürzlich habe sie sich dort wieder mit Landwirten ausgetauscht, erklärt Hartmann-Müller gegenüber Blick. Ihr Befund: «Die Wut der deutschen Landwirte wird nicht weniger!»

Im deutschen Grenzgebiet sinke die Zahl der einheimischen Landwirtinnen stetig, stellt sie besorgt fest. «Es ist das Ziel der deutschen Politik, diesen Trend zu stoppen.» Schweizer Bauern seien wirtschaftlich klar im Vorteil. Als zentrales Problem sieht die Politikerin den «ungleichen Marktzugang». Dieser werde durch die Mengenbegrenzung verursacht, die das alte Zollabkommen vorschreibt.

Das sagen die Schweizer Bauern

Die Schweizer Bauern reagieren gelassen auf Kritik ihrer deutschen Kollegen. «Jeder Vertrag braucht immer zwei Unterschriften. Die Deutschen verkaufen ihr Land ja freiwillig an uns», sagte Christoph Graf, Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes, bereits im vergangenen Sommer zu Blick. Die Landwirte aus seinem Kanton besitzen in Deutschland besonders viel Land. Graf gab zu bedenken: «Wenn die wirtschaftliche Lage umgekehrt wäre, würden die Deutschen genau dasselbe machen.» Und an der tschechischen oder polnischen Grenze würden die deutschen Bauern dies sowieso tun.

Die Schweizer Bauern reagieren gelassen auf Kritik ihrer deutschen Kollegen. «Jeder Vertrag braucht immer zwei Unterschriften. Die Deutschen verkaufen ihr Land ja freiwillig an uns», sagte Christoph Graf, Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes, bereits im vergangenen Sommer zu Blick. Die Landwirte aus seinem Kanton besitzen in Deutschland besonders viel Land. Graf gab zu bedenken: «Wenn die wirtschaftliche Lage umgekehrt wäre, würden die Deutschen genau dasselbe machen.» Und an der tschechischen oder polnischen Grenze würden die deutschen Bauern dies sowieso tun.

Deutsche Bäuerinnen dürfen pro Tag nur etwa 100 Kilogramm ihrer Produkte zoll- und abgabenfrei in die Schweiz bringen. «Für die Schweizer Landwirte, die ihre Produkte auf deutschem Boden produzieren, existiert keine analoge Mengenbegrenzung», kritisiert Hartmann-Müller. Der entscheidende Punkt: Die Felder müssen von einem Schweizer Betrieb aus der Schweiz heraus bewirtschaftet werden.

Diese Massnahmen fordern die Deutschen

Die Parlamentarierinnen fordern eine Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten. Deutsche Landwirte sollen künftig ihre Produkte zu denselben Bedingungen in die Schweiz einführen können – und damit ebenfalls von den höheren Preisen profitieren.

Für Hartmann-Müller kommen restriktivere Preiskontrollen oder Vor-Ort-Kontrollen bei der Bewirtschaftung infrage. Zudem soll das Thema in der aktualisierten «Schweiz-Strategie» Baden-Württembergs verankert werden. Vor allem aber hofft sie auf neue Regeln zum Schutz des landwirtschaftlichen Bodenmarktes. Oder noch besser: auf eine Reform des alten Abkommens.

Freunde, nicht Feinde

Das Abkommen stamme aus einer anderen Zeit, sagt Hartmann-Müller. «Diese haben wir längst hinter uns gelassen: Die Nachkriegszeit ist doch beendet, die Schweizer Nachbarn sind unsere Freunde, die wir nicht mehr missen möchten.»

Ihr oberstes Ziel sei, die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu erhalten. Sie setze auf Kooperation, nicht auf Konfrontation. Hartmann-Müller ist sich bewusst, dass der Begriff «Landnahme» in der Schweiz kontrovers wahrgenommen werden könnte. Sie betont: Damit solle nicht unterstellt werden, dass die Schweizer Landwirtinnen «illegal oder mit unlauteren Mitteln an das Land auf der deutschen Seite kommen».

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