Deutsche Landwirte in Baden-Württemberg haben die Schnauze voll von ihren Berufskollegen. «Mir stösst das saumässig auf, wenn ich höre, wie sich die Schweizer Bauern hier bei uns bedienen», sagt Bio-Bauer Oswald Tröndle gegenüber «Die Zeit». Die Wochenzeitung lanciert eine Debatte in unserem Nachbarland neu, die bereits seit vielen Jahrzehnten im Schweizer Grenzgebiet für rote Köpfe sorgt. Grund ist ein Abkommen zwischen den beiden Ländern aus dem Jahr 1958, das den Grenz- und Durchgangsverkehr regelt.
Für die hiesigen Bauern ist das historische Gesetz heute Gold wert. Einerseits sind die Ackerfelder im Nachbarland noch günstiger, andererseits erlaubt es die zollfreie Einfuhr in die Schweiz, wenn der Anbau nicht weiter als zehn Kilometer von der Schweizer Grenze erfolgt. Bedeutet: Der gewiefte Schweizer Schnäppli-Bauer kann seine in Deutschland angebaute Kartoffel zollfrei in die Schweiz einführen und hierzulande für deutlich höhere Preise als «Schweizer Härdöpfel» verkaufen. Die Deutschen dürfen das nicht, denn das Gesetz besagt: «Damit die Ernte in die Schweiz gebracht werden darf, müssen die Felder in Deutschland von einem Schweizer Betrieb aus der Schweiz heraus bewirtschaftet werden.»
«Jeder Vertrag braucht immer zwei Unterschriften»
Wirtschaftlich macht die Expansion für die Schweizer Landwirte Sinn. Gemäss Recherchen der «Zeit» haben die Schweizer in den vergangenen zwei Jahrzehnten ihre Ländereien ennet der Grenze verdoppelt. Mehr als 5700 Hektar deutscher Boden werden heute von Basel bis zum Bodensee von Schweizer Bauern beackert – vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der betroffenen deutschen Landkreise.
«Jeder Vertrag braucht immer zwei Unterschriften. Die Deutschen verkaufen ihr Land ja freiwillig an uns», sagt Christoph Graf, Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes, zu Blick. Sein Kanton besitzt in Deutschland besonders viel Land – jeder vierte Schaffhauser Landwirt ist im Nachbarland aktiv. Auch Graf selber hat Acker in Deutschland gepachtet, er führt den Betrieb der Eltern seiner Nachbarin weiter.
Ganz anders sieht das der deutsche Bio-Bauer Tröndle. «Es ist ein unlauterer Wettbewerb.» Seine Forderung: «Die Schweizer sollten ihre deutsche Ware bei der Einfuhr in die Schweiz verzollen müssen.»
«Deutsche würden genau dasselbe machen»
«Wenn die wirtschaftliche Lage umgekehrt wäre, würden die Deutschen genau dasselbe machen», gibt Graf zu bedenken. Ein schlechtes Gewissen hat er nicht. «Aber klar habe ich Verständnis für die Forderung nach Einfuhrzöllen. Würden die Deutschen unser Land aufkaufen, wären wir auch nicht glücklich und hätten wohl das gleiche Anliegen.»
Graf schiebt nach: «Die Deutschen machen an der polnischen oder tschechischen Grenze doch genau das Gleiche.» Auch der schweizerische Bauernverband will von der Forderung nach Einfuhrzöllen nichts wissen – will sich aber auf Blick-Nachfrage nicht weiter in den Zoff einmischen. Logisch: Die Schweizer Landwirtschaft hat jedes Interesse am Status quo. Da können sich die Landwirte in Baden-Württemberg noch lange aufregen – am historischen Vertrag von 1958 wird so schnell nichts geändert werden.