Das Portemonnaie stimmt mit. Das weiss die grösste Partei des Landes natürlich nur allzu gut – und setzt darum auf finanzielle Argumente gegen das Klimaschutz-Gesetz. 6600 Franken pro Person und Jahr. So teuer komme der Schweiz ein Ja zum Klimaschutz-Gesetz zu stehen, behauptet die SVP.
An der Delegiertenversammlung, auf der Partei-Homepage, in einem Gastbeitrag in der Gewerbezeitung: Fast schon mantraartig wiederholen Parteivertreterinnen und -vertreter im Abstimmungskampf die Zahl – und verweisen dabei auf eine Studie der ETH.
Darum gehts in der Studie
Wer sich diese Untersuchung allerdings genauer anschaut, stellt fest: Das, was die SVP behauptet, steht so in der Studie gar nicht drin. Verfasst haben sie Forscher der ETH Lausanne und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa, die ebenfalls zur ETH gehört.
Sie haben untersucht, was es die Schweiz kosten würde, wenn die benötigte Energie vollständig im Inland produziert und gespeichert würde. Und wenn die komplette Energieversorgung mittels künstlicher Treibstoffe erfolgen würde. Die 6600 Franken Mehrkosten beziehen sich auf dieses Szenario. Vom Klimaschutz-Gesetz ist mit keinem Wort die Rede.
Das Klimaschutz-Gesetz will das Ziel des Bundesrats verankern, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wird. Es sieht insgesamt 3,2 Milliarden Franken vor, um Öl- und Gasheizungen zu ersetzen und innovative klimafreundliche Technologien zu fördern.
SVP ziehe «unzulässige Schlussfolgerung»
Die SVP reisse Forschungsergebnisse aus dem Kontext, wirft die Empa der SVP vor. Dass bei einer Annahme des Gesetzes am 18. Juni automatisch dieses «Extremszenario» zum Tragen käme, sei «eine unzulässige Schlussfolgerung», sagt Empa-Sprecher Michael Hagmann zu Blick.
Die von der SVP so fleissig zitierte Untersuchung zeige vielmehr auf, dass eine vollständige Energieautarkie für die Schweiz weder technisch noch wirtschaftlich Sinn ergebe. Man werde auch in Zukunft Energie importieren müssen. «Dazu ist eine Integration in das europäische Energiesystem eine Grundvoraussetzung», hält das ETH-Institut fest.
Es spricht das Stromabkommen mit der EU an, das die Schweiz schon lange abschliessen will. Doch die EU macht dafür zur Voraussetzung, dass die Schweiz ein Rahmenabkommen mit der Union unterzeichnet – und das bekämpft die SVP bekanntlich mit Händen und Füssen.
Chiesa verteidigt sich
SVP-Parteipräsident Marco Chiesa (48) wehrt sich gegen den Vorwurf, irreführende Informationen zu verbreiten. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass das Gesetz nicht festlege, wie der Weg zu Netto Null genau aussieht. Bis zu 6600 Franken Mehrkosten pro Kopf und Jahr seien gestützt auf die Untersuchung darum «nicht auszuschliessen».