Abstimmung über Solarstrom
Zieht das Wallis dem Solarexpress den Stecker?

Der Kanton Wallis stimmt am Sonntag darüber ab, ob auf Alpenhängen bald Solarstrom im grossen Stil produziert wird. Es ist eine Abstimmung mit nationaler Strahlkraft.
Publiziert: 06.09.2023 um 12:19 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2023 um 13:51 Uhr
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Kühe oder ...
Foto: Keystone

Ausgerechnet im Wallis droht dem Solarexpress die Vollbremsung. Dabei war es der Walliser Ständerat Beat Rieder (60), der den Ausbau von Solarenergie in den Alpen beschleunigen wollte. Dafür peitschte er ein Gesetz im Eiltempo durchs Parlament. Wenn es nach ihm geht, sollen grosse Solaranlagen in den Bergen unkompliziert gebaut und grosszügig subventioniert werden. Doch die Zeit drängt – bis Ende 2025 müssen die Anlagen zumindest teilweise stehen, sonst gibt es kein Geld.

Auch der Kanton Wallis wollte nicht hinten anstehen. Schliesslich standen in Grengiols VS und Gondo VS vielversprechende Projekte bereit. Darum wollte der Kanton Bewilligungen mit einem Solardekret schneller erteilen. Demnach ist zum Beispiel nur noch einmal eine Einsprache möglich – und auch wenn diese eingereicht wird, kann das Projekt trotzdem vorerst weitergehen, bis ein definitiver Entscheid vorliegt. Doch dagegen jetzt gibt es Opposition.

«Nicht das Sinnvollste für Umwelt und Portemonnaie»

Am Sonntag stimmt der Kanton über das Solardekret ab – und Brigitte Wolf (56) ist gefordert. Sie hat als Co-Präsidentin der Walliser Grünen zusammen mit Umweltschutzverbänden das Referendum ergriffen. Auch die SP und die SVP Unterwallis unterstützen es. «Das Gesetz wurde durch den Kantonsrat gepeitscht, ohne Rücksicht auf Natur und Landschaft», sagt Wolf zu Blick. Am meisten ärgert sie, dass konkrete Kriterien fehlen. «Es wird gebaut, was am schnellsten ist, nicht was am sinnvollsten für die Umwelt und das Portemonnaie ist.»

Tatsächlich fehlen im kantonalen Gesetz konkrete Kriterien für alpine Solaranlagen. Doch das wollten die Bundespolitiker um Rieder bewusst so, damit es schnell mehr Energie gibt. «Die Kantone erteilen die Bewilligungen», kontert Wolf. «Doch sie müssen auch Nein sagen können, wenn ein Projekt schlecht ist.»

Verzögerungen drohen

Ein Nein wäre ein «phänomenales Eigengoal», findet Mitte-Ständerat Rieder. Die Solarkraft hätte ein unglaubliches Potenzial. «Das Volk muss sich entscheiden, ob es erneuerbare Energien aus der Schweiz will, insbesondere aus dem Wallis, oder AKW-Strom aus Frankreich.»

Er wirft den Umweltorganisationen – «wie beim Jagdgesetz» – eine Desinformationskampagne vor. «Nationale Verbände investieren in sehr teure Kampagnen im Wallis, vertuschen aber das wahre Problem. Mit entsprechenden Konsequenzen.» Die Schweiz brauche mehr Energie. Dafür brauche es den Solarstrom in den Alpen. «Die Alternative wären AKWs, aber die will auch niemand.»

Kommen die Gegner im Wallis durch, bleiben die bestehenden Baugesuche bestehen. Doch es sind mehr Einsprachen möglich. Grosse Solarprojekte in Grengiols oder Gondo dürften sich verzögern. Um wie lange ist noch unklar und hängt davon ab, wie viele Einsprachen eingehen. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die Landschaftsschützer querstellen. Und schon jetzt wurde Grengiols Solar deutlich kleiner als ursprünglich geplant.

Wolf hofft, dass das Referendum auch über das Wallis hinaus Wirkung erzeugt. «Das nationale Gesetz ist schlecht. Die Leitungen sind nicht drin und die Fristen sind unrealistisch kurz.» Sie ist überzeugt, dass das Parlament in Bern nachbessern wird. «Dann müssen auch Kriterien eingeplant werden, damit die ökologisch und ökonomisch sinnvollsten Projekte gebaut werden.»

Bern und Graubünden machen es anders

Doch schon im vergangenen Jahr begann in der ganzen Schweiz ein regelrechter Run auf alpine Solaranlagen. Auch im Kanton Bern und Graubünden laufen Projekte – die Initiatoren müssen sich beeilen, um etwas von den Fördermillionen zu bekommen.

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Bern und Graubünden hätten jedoch einen anderen Weg, um den Solarexpress umzusetzen, sagt Jürg Rohrer, ZHAW-Professor für erneuerbare Energien und selbst an Energieprojekten beteiligt. «In Bern hat der Kanton von sich aus Standorte gesucht und ist damit zu den Stromversorgern gegangen. Im Graubünden unterstützt der Kanton im Hintergrund.»

Ob diese Strategie zu einer höheren Akzeptanz führt, ist noch unklar. «Einsprachen werden hauptsächlich wegen der Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht. In den meisten Fällen liegen sie noch nicht vor.» Rohrer glaubt, dass einige Projekte bis 2025 einen ersten Teil Strom liefern können. «Dass die vom Gesetzgeber ermöglichte Zubau-Kapazität vollständig ausgeschöpft wird, glaube ich hingegen nicht.» (bro)

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