Eine einzige Szene gibt es gegen Ende dieses «Polizeirufs 110», bei der alles auseinanderfällt: zu direkt, zu gewaltsam, zu sehr mit der Kamera dort draufgehalten, wo man wegzoomen und den Konflikt besser im Hirn der Zuschauer «ablaufen» liesse.
Ansonsten ist dies wieder mal eine «Polizeiruf»-Folge, die dem «Tatort» zeigt, was eine Harke ist. Und dies trotz der wohl unbeliebtesten Kommissarin, die in jüngster Zeit über die Leinwand flackert: Die begnadete Theaterschauspielerin Lina Beckmann ist in ihrer ersten grossen Fernsehrolle, als Ersatz für Kommissar Bukow (Charlie Hübner), zunächst beim Publikum durchgefallen. Ihre Kommissarin Melly Böwe ist denn auch gewöhnungsbedürftig: direkt, laut, oft etwas pampig und nur schon dank ihres Aussehens – eisblaue, weit stehende Augen, Doppelkinn, gross, festere Statur – eine ungewöhnliche Präsenz.
Zwei grandios spielende Frauen
Sozusagen ihr Gegenstück ist Evelyn Sonntag, grandios gespielt von Schauspielerin Judith Engel: abgemagert, verhärmt, still, brüchig. Wurde sie erst so, als ihre Tochter im Alter von zwölf Jahren verschwand? Oder war sie bereits immer so? Etwas stimmt nicht mit dieser Frau, das ist von der ersten Minute an klar. Umso verstörter reagiert sie, als an einem Mord-Tatort – ein Arzt wurde umgebracht – plötzlich DNA ihrer längst tot geglaubten Tochter aufgefunden wird.
Die Kommissarinnen Böwe und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) begeben sich auf eine Reise in die Vergangenheit – und in Abgründe: Was ist damals mit der Tochter geschehen? Welche Rolle spielte dabei ihr kleiner Bruder? Langweilig wird das keine Sekunde.
«Polizeiruf 110»: «Nur Gespenster», 20.15 Uhr, ARD
Wertung: Vier von fünf