Hurra! Endlich ist mein reflexartiges «Ou nei!», das sich bei mir einstellt, sobald ich sehe, dass ein Schweizer «Tatort» angesagt ist, nicht ganz angebracht. Die Kommissarinnen Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zürcher) werden zu einer Stelle im Wald gerufen. Dort liegen drei Leichen – und ein traumatisiertes Mädchen versteckt sich in einem Auto. Ihre Mutter und ihr Vater sind tot, scheinbar erschossen durch einen Motorradfahrer. Was wollte der Vater an der abgelegenen Stelle? Was wollte der unbekannte Motorradfahrer? Bald wird auch klar: Die Einschussstellen stimmen nicht mit der Motorrad-Theorie überein.
Polizeirecherchen ergeben: Der Vater des Mädchens hat eine Software oder App entwickelt, die für den Nutzer wiederum Gesichtserkennungssoftware stört. Wer von Gesichtserkennungssystemen aufgenommen wird, soll, wenn er diese Software benützt, nur als eine Art blinder Fleck erscheinen. Das wiederum kommt natürlich Big Business in die Quere: Ein US-Start-up mit Sitz in Zürich will ihr Gesichtserkennungssystem gern teuer dem hiesigen Militär und der Polizei verkaufen. Grund genug, einen Familienvater zu erschiessen? Oder gibt es noch weitere Akteure im verzwickten Mordfall?
Spannung: Okay. Unnütz-peinliche Einlagen: Nicht existent. Fazit: Endlich! Danke!
Wenn auch die Traumatisierung des Mädchens wie die Motivation des Täters zumindest zum Schluss immer fragwürdiger werden: Endlich hat der Zürcher «Tatort» eine einigermassen gut erzählte, einigermassen spannende Geschichte ohne krampfhafte, nervige Kameratrickli oder peinliche Gesangs- oder Rapeinlagen. Und erst noch ein brandaktuelles Thema. Die Schweiz muss sich endlich einmal vor anderen Folgen nicht verstecken.
«Tatort»: «Blinder Fleck», SRF1, 20.05
Wertung: Dreieinhalb von fünf